In seinem Alter denken viele schon an die Rente. Wenn aber ein Musiker immer noch bekannt ist und 40 Millionen Tonträger verkauft hat, dann hat er vieles richtig gemacht. Peter Maffay - ein Leben mit Umwegen. Vom rumänischen Einwandererkind zum Schlagerstar, vom Rock 'n' Roller zum Musical-Macher und Weltverbesserer.

Die Empfangsdame des Verlagshauses in München sagt, dass ich im Raum "Peter Alexander" warten soll. Der Konferenzraum befinde sich im Keller. Peter Maffay wäre gleich so weit. Aus gleich werden 12 Minuten. Und Maffay sitzt im Raum "Whitney Houston". Als das Missverständnis aufgeklärt ist, ist Maffay, der Star, verständnisvoll und sagt: "Setzen Sie sich erst einmal. Kaffee?" Er schenkt selbst ein. Hinter ihm liegen ein Interview-Marathon, zahlreiche Auftritte und Podiumsdiskussionen. Zuletzt saß er mit Frank-Walter Steinmeier und Leander Haussmann zusammen im Auswärtigen Amt und sprach über die Ereignisse vom November 1989.

Peter Maffay wird an diesem Sonntag, dem 30. August, 60 Jahre alt. Der richtige Zeitpunkt für eine dicke Biografie, die pünktlich zum Geburtstag erscheint. Sie heißt: "Auf dem Weg zu mir". Peter Maffay trägt Jeans und ein weißes Kurzarmhemd, tailliert und die Ärmel kurz genug, damit die muskulösen, tätowierten Oberarme gut zu sehen sind. An der Garderobe hängt eine schwarze Leder-Jacke. Im nächsten Jahr feiert er sein 40-jähriges Bühnenjubiläum. Mehr als 40 Millionen Tonträger hat er verkauft, darunter 13 Nummer-1-Alben, mehrfach Gold und Doppel-Platin. Doch um all das zu bekommen, musste er sein Heimatland verlassen. Peter Maffay ist an diesem Morgen sehr freundlich. Er trinkt Kaffee und isst dazu einen Keks.

Heute vor 46 Jahren, am 24. August 1963, erlebten Sie Ihren ersten Tag in Deutschland. Sie kamen in der Nacht aus Rumänien in München an und gingen am Morgen unsicher in den Straßen umher.

"Herr Gott, ja, heute ist Jahrestag. Ja, das war ein sonniger Tag, genauso wie heute, mit ganz wenig Wolken am Himmel. Damals war ich 14. Wir sind bei Bekannten untergekommen, nicht weit weg von hier, am Ostbahnhof. Alles war anders, die Geräusche und Gerüche, die Sprache auf der Straße. Die Kleidung, die Attitüde."

War hier alles weltmännischer?

"Ich hatte ja noch nichts von der Welt gesehen. Ich sah Menschen, die sich im Gehen unterhielten und lachten. Straßenbahnen, die vorbeifuhren, Autos."

Zusammen mit Ihrer Mutter Augustina und Ihrem Vater Wilhelm sind Sie dann nach ein paar Tagen nach Waldkraiburg gezogen. Dort haben Sie sich ja schnell eingelebt.

In der Biografie berichtet Autor Edmund Hartsch von einem jungen Wilden. Peter Maffay, der Teenager aus Waldkraiburg, war zunächst gut in der Schule. Doch dann kamen die Zigaretten, die Mädchen und vor allem seine erste Band. Die Beat Boys. Auftritte in Kneipen und, natürlich, schlechte Noten.

Maffay lacht: "Ja, es gab zu viele Ablenkungen, um Rumänien überhaupt zu vermissen."

Woran haben Sie denn gemerkt, dass Sie ein Einwandererkind sind?

"An der Kleidung, die wir geschenkt bekommen haben. Das waren getragene Sachen. Auch nicht tragisch. Aber das Gefühl, etwas Getragenes zu bekommen, ist eine Klassifizierung. Wenn man etwas verschenkt, muss man es so geben, dass der Stolz des anderen nicht gebrochen wird. Das hat in mir einen Widerstand erzeugt, und ich habe mir gesagt, das besorge ich mir in Zukunft selbst."

Die Zukunft begann mit 18 Jahren, als er in Waldkraiburg vom Gymnasium flog. Er brachte es im Schuljahr 1967/68 auf 85 Fehltage. Sein Frühstück begann mit Zigaretten und Bier. Aus dem Teenager war ein Halbstarker geworden. Kurz vor seinem 19. Geburtstag trat er in München bei einem Verlag eine Lehre als Chemigraf an. Aber die war ihm egal. München, das waren noch mehr Bars, Großstadt und Freiheit. Er musste sich durchkämpfen.

Nach Enttäuschungen und Niederlagen reagierten Sie häufig trotzig.

"Es gibt Boxer, die aggressiv sind, die einen Killerinstinkt haben. Diese Leute gehen in den Ring und machen kurzen Prozess. Und so bin ich auch, auf einer anderen Ebene. Wenn es hart auf hart kommt, möchte ich rausgehen und etwas erledigt haben. Das erhöht irgendwie die Regenerationsfähigkeit. So verarbeitet man Schmerz und Verletzungen besser."

Das ist aber eine ziemlich harte Einstellung zum Leben.

"Nein, die ist nur hart in gewissen Fällen. Und der Kontrapunkt dazu ist, weich zu sein und keine Angst davor zu haben. Die Weichheit kann man durch Härte beschützen. Dann hat man keine Angst und geht offen auf andere zu."

Ihr größter Knock-out war sicherlich 1982 Ihr Auftritt als Vorband der Rolling Stones?

"Das war beruflich mein größter Knock-out. Aber nach den sechs Konzerten haben wir gleich eine eigene Tour gespielt, und die hat uns für einiges, was vorher passiert ist, entschädigt, aber das ging nur, weil vorher das passiert ist."

Maffay und seine Band sind als Vorgruppe für die Rolling Stones aufgetreten. Am 6. Juni 1982 im Niedersachsenstadion war es 35 Grad warm. Eine andere Band hatte 60 000 Stones-Fans schon richtig eingeheizt. Dann kam Maffay und sang Balladen. Eier flogen, Tomaten flogen, Käsebrote, Cola-Dosen. Am nächsten Tag machte sich die Presse über den Auftritt her. Es war eine Katastrophe. Maffay und Band mussten noch weitere fünf Auftritte überstehen.

Hat dieses Erlebnis zu einem größeren Ego und Selbstbewusstsein geführt?

"Als Erstes stellt man sich vor den Spiegel und fragt sich, bin ich jetzt wirklich so, oder was habe ich falsch gemacht, dass es so gelaufen ist. Dann analysiert man, führt Gespräche, und lässt vor sich selbst die Hose runter, um das in Zukunft zu vermeiden."

Danach sind sie mehr in die Rock-Richtung gegangen.

"Ja, das hätte ich schon viel früher machen sollen, aber ich war zu inkonsequent, zu schwach. Diese Verwandlung ist erst Ende der 80er abgeschlossen gewesen."

Weil Sie Ihre Karriere als Schlagersänger mit einer Schnulze begonnen haben.

"Das Lied 'Du' war ein Mörderhit. Nur wie es aufbereitet wurde, als Schlager, das war fraglich."

Peter Maffay trinkt noch mehr Kaffee. Damals, am 21. März 1970, trat er in einem Samtanzug mit Rüschenhemd in der "ZDF Hitparade" auf. Als Schlagerstar. Kaum zu glauben, wenn man ihn jetzt sieht. Sicher, ruhig, gelassen, null Schlager.

War es schwer, sich von dem Image zu trennen?

"Ja, das hat zehn Jahre gedauert. Bis zu meinem Album 'Steppenwolf'. Ich hatte Schwierigkeiten, mich zu positionieren. Ich war politisch ungebildet. Aber ich war auch an Verträge gebunden. Mir fehlte sicher die Erfahrung."

Später, im Jahr 1982, hat sich Maffay eine eigene Produktionsfirma und ein Studio aufgebaut. Das Unternehmen hieß "Red Rooster Records". Es war der Anfang von jeder Menge anderer Projekte, die Maffay anschob. Er trat in den 90ern bei "Rock gegen Rechts" auf, spendete seine Gagen und die seiner Bandmitglieder für die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, gründete das Künstlerprojekt "Begegnungen" und eine eigene Stiftung für Kinder.

"Die ersten Jahre waren Sandkasten. Das war Schlager, und es war schwierig aus dieser Ecke rauszukommen. Eine Metamorphose zu vollziehen ohne Schiffbruch zu erleiden, darum ging es mir."

Maffay wurde lange für seine Schlagervergangenheit kritisiert und nicht ernst genommen. Ganz anders als zur gleichen Zeit Udo Lindenberg.

Der sich auch noch über Maffay lustig machte. Nicht zuletzt, weil einige Musiker von Lindenbergs Panik Orchester zu Maffay überliefen.

"Der Vorwurf, die Häme. Das war alles richtig. Manche Leute brauchen halt länger, um ein Bild zu malen. Dann hängt es aber vielleicht auch länger an der Wand."

Maffay lehnt sich zurück. Diesen Satz zu sagen, hat ihm Spaß gemacht. Er ist immer noch da. Krautrock, Neue Deutsche Welle, Techno der 90er, Hip-Hop, er hat alles überlebt.

Dann sind Sie Rocker geworden.

"Bequeme Schlagworte einer schreibenden Zunft."

Sie sind also keiner?

"Doch, bin ich schon. Sie haben gerade an meiner Hose runtergeguckt. Wollten Sie gucken, ob Nieten dran sind?"

Nein, ich habe geschaut, was Sie für Schuhe anhaben. Ich wollte tatsächlich wissen, ob Sie Cowboystiefel oder Bikerboots tragen.

"Ganz normale trage ich. Aber wäre ich jetzt Motorrad gefahren, hätte ich welche an. Sie würden mich nicht mit Sandalen auf einem Motorrad sehen, das wäre einfach dumm."

Tragen Sie immer Lederjacke?

"Nur wenn sie mir gefallen. Ich habe aber nicht viele. Gut, man könnte jetzt zum Fetischisten werden und 200 Paar Stiefel haben."

Sie sind ja ein Star.

"Man sagt ja, Stars können sich viel leisten. Ich leiste mir, wenig zu haben von dem Zeug. Ich habe ja auch nur einen Po, deswegen reicht mir auch ein Motorrad."

Woher kommt diese Haltung? Von Ihrer Mutter?

Maffay überlegt lange. Seine Mutter Augustine schoss sich im November 1990 mit einer Waffe in den Kopf. In der Biografie heißt es, sie habe es nicht verzeihen können, dass ihr Sohn ihr nicht von seiner zweiten Hochzeit erzählt hatte. Er sei ständig abwesend gewesen und habe sie nicht genug um sie gekümmert, sie nicht an sich herangelassen. Die Mutter, so heißt es, litt auch an Depressionen. Maffay antwortet nicht gleich, redet über Bescheidenheit generell.

Sie hätten gern noch mehr Zeit mit Ihrer Mutter verbracht?

"Ja, ich habe wohl einige der Ausrufezeichen, die meine Mutter gesendet hat, nicht richtig gedeutet. Ich war wohl zu sehr mit mir beschäftigt. Das ist unkorrigierbar. Das tut mir leid. Aus diesem Defizit heraus steht ihre Urne an einem Platz in einer Kapelle in der Nähe meiner Finca. So kann ich jeden Tag an ihr vorbeifahren."

Peter Maffay hat selbst einen Sohn. Yaris, er lebt mit ihm und seiner Frau Tanja Spengler, Maffays vierter Ehefrau, auf Mallorca.

Sie sind 54 Jahre älter als ihr Sohn.

"Das ist eine gehörige Spanne. Jetzt kann ich noch mit ihm Fußball spielen. Der Unterschied fällt ihm jetzt noch nicht auf. Aber irgendwann komme ich vielleicht nicht mehr schnell genug zum Ball."

Ihr Buch heißt "Auf dem Weg zu mir". Haben Sie sich heute schon gefunden?

"Nein. Will ich auch gar nicht. Was sollte ich dann machen? Es gibt noch so viel. Gestern hatte ich einen 14-Stunden-Tag. Da war eine Menge drin. Büroarbeit, tägliches Workout, zwei Flüge, der Blick aufs Meer, der Besuch beim Auswärtigen Amt und abends Probe mit Leslie Mandoki und seiner Truppe. Auf dem Weg zu mir bedeutet ganz einfach, dass der Weg das Ziel ist, und nicht das Ziel."

Welches Lied finden Sie denn von Ihren eigenen am besten?

"Ich glaube, 'Liebe wird verboten', weil man Liebe nicht verbieten kann, und weil man in diesem Lied den Wunsch nach Autarkie und Freiheit merkt. Es geht darum, wie man als Mensch einigermaßen aufrecht leben kann. Das hat mir immer viel bedeutet. Mir ging es immer darum, unabhängig zu sein. Und wenn man das hat, hat man alles."

Für Freiheit und Unabhängigkeit hat schon Maffays Vater Wilhelm in Rumänien gekämpft. Er bekam sie nicht, durfte lange Jahre nicht ausreisen und wurde vom rumänischen Sicherheitsdienst Securitate traktiert. Erst nach langem Hin und Her durfte die Familie endlich gehen. Im Sommer 1963. Maffay kann seine Herkunft auch heute noch nicht ganz verbergen. Er spricht immer noch sein berühmtes rollendes "r". Allerdings viel weniger als früher.

Wie oft sind Sie eigentlich noch in Rumänien?

"Jetzt öfter. Wir bauen dort ja ein Kinderheim. Und das ist mein Payback."

Eine Dame, die die Interviews koordiniert, kommt rein. Das Gespräch soll jetzt zu Ende gehen. Sie sitzt in seinem Rücken und verhält sich leise. Maffay ignoriert sie.

Müssen Sie denn etwas an das Land zurückgeben?

"Soll, nicht müssen. Jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten. Das Land hat mir nichts gegeben, kein Geld. Aber ich habe andere Sachen bekommen, die Umstände meiner Geburt. Auslöser von vielen glücklichen Stunden. Die Wurzeln, die man besitzt, stecken ja in einer ganz besonderen Erde. Und dieser Baum kann nur existieren, wenn es diese Erde gibt. Sonst wären wir ja Luftwurzler."

Stimmt.

"Und so fühle ich mich nicht. So wie hier. Ich bin in Deutschland zu Hause und fühle mich hier wohl. Sonst wäre ich auch nicht zu Herrn Steinmeier gegangen und hätte über den Mauerfall gesprochen."

Danke für das Gespräch.

"Ja, ich danke auch. Tut mir leid, mit dem Keller am Anfang."