Freitagabend wird die Ausstellung am neuen Standort eröffnet. Des Kaisers silberne Kelle ist künftig das Prunkstück der Ausstellung.

Hamburg. Für Kenner des alten Domizils dürfte es ein bisschen gewöhnungsbedürftig sein: Das neue Speicherstadtmuseum, das heute Abend im historischen Block L der Speicherstadt am Sandtorkai 36 eröffnet wird, unterscheidet sich deutlich von dem des bisherigen Standorts am St. Annenufer 2. Während man dort über eine enge Holztreppe den dritten Boden erklimmen musste, um den Eindruck zu gewinnen, es sei ein völlig unveränderter und intakter Speicher, der nur eben jetzt als Museum genutzt wird, betritt man jetzt im Erdgeschoss eine modern gestaltete Ausstellung. Statt der durch jahrzehntelange Arbeit zerscharrten Holzdielen liegen nüchterne Pressspanplatten auf dem Fußboden. Statt altmodischer Stühle und Holztische, in deren Platten Generationen von Schulklassen ihre Initialen eingeritzt haben, gibt es nun modernes Mobiliar in minimalistischem Holzdesign. Und statt der raumprägenden hölzernen Trägerkonstruktion bestimmen funktionale Vitrineneinbauten die Ausstellung, die insgesamt aufgeräumter und klarer wirkt.

Steril ist die Atmosphäre aber auch am Sandtorkai nicht, und spätestens beim Blick auf die Decke ist zu erkennen, dass dieser Speicher gleichfalls Geschichte atmet. Die Eisenträger und Säulen, die von fast faustgroßen Nieten zusammengehalten werden, stammen noch aus dem Jahr 1888, der Block L gehört damit noch zum ersten Bauabschnitt des berühmten historischen Lagerhauskomplexes.

***Speicherstadt und Speicherstadtmuseum***

Der Umzug war nötig geworden, weil sich die aktuellen Sicherheitsstandards am alten Standort nicht einhalten ließen und das Gebäude zudem saniert werden soll. Die neuen Räume lassen in dieser Hinsicht nichts zu wünschen übrig, verfügen über die notwendigen Fluchtwege und bieten nach wie vor ausreichend Platz für Veranstaltungen, die ein wesentlicher Teil des Angebots bleiben werden.

Das zeigt sich schon heute Abend, denn die Eröffnungsveranstaltung wird eine Lesung sein: Um 19.30 Uhr liest Herbert Beckmann aus seinem Krimi "Die Nacht von Berlin". Anschließend haben die Besucher die Möglichkeit, sich das neue Museum in Ruhe anzuschauen, dazu gibt es Freigetränke.

Dann werden sich wohl auch Henning Rademacher und Ralf Lange, die das Museum schon seit 1995 als private Außenstelle des Museums der Arbeit betreiben, ein Gläschen Wein genehmigen. Bis dahin bleibt ihnen kaum ein ruhiger Moment, denn alles wird erst im allerletzten Moment fertig sein. Gestern waren viele Exponate noch nicht ausgepackt, Texttafeln, die längst an der Wand hängen sollten, noch nicht geliefert. Regale gähnten vor Leere.

Ein bisschen Fantasie brauchte es daher schon, sich alles so vorzustellen, wie es sich Kurator Ralf Lange gedacht hat. Auch die neue Ausstellung beschäftigt sich mit dem, was früher in den Speichern geschah: mit dem Umschlag, der Lagerung und Verarbeitung von Waren wie Kaffee und Tee zum Beispiel. Vor allem Kaffee spielt eine große Rolle. "Kaffee ist der rote Faden. Er wurde in Säcken gelagert und später mit der Hand oder maschinell verlesen. Wir gehen auf die Pflanze und auf die Kaffeekultur ein", sagt Lange, greift in eines der Regale und reicht ein Glas, das er aufschraubt und zum Riechen reicht: Kaum zu glauben, wie staubig, säuerlich und muffig Rohkaffee riecht. Erst nach dem Brennen wird sich das ändern.

Größeren Raum als früher nimmt die Geschichte der Speicherstadt ein, die 1881 mit dem Abschluss des Zollanschlussvertrags begann. Während es in einer Ausstellungskoje um Bau und Architektur des gesamten Komplexes geht, werden in einer anderen die historischen Voraussetzungen und Bedingungen des Zollanschlusses thematisiert. Hier gibt es auch Dokumente und Fotografien von der Zollanschlussfeier, zu der der frisch gekrönte Kaiser Wilhelm II. am 29. Oktober 1888 nach Hamburg gereist war. Am Tor der Brooksbrücke nahm er die Einweihung der Speicherstadt vor, indem er mit einer silbernen, fein ziselierten Maurerkelle ein wenig Mörtel auf das backsteinerne Brückentor schmierte. Diese Maurerkelle durfte Seine Majestät allerdings nicht mitnehmen. Nach dem einmaligen Gebrauch wanderte sie in den Hamburger Ratssilberschatz. Künftig wird sie als historisches Prunkstück in der neuen Ausstellung des Speicherstadtmuseums zu sehen sein.

Speicherstadtmuseum, Am Sandtorkai 36, Öffnungszeiten ab 29.11., Sa/So 10.00-18.00, Di-Fr 10.00-17.00, www.speicherstadtmuseum.de