Am 23. Oktober ist Schluss: Das Speicherstadtmuseum schließt sein historisches Domizil am St. Annenufer und zieht an den Sandtorkai um.

Hamburg. Auf dem dritten Boden des alten Speichers am St. Annenufer 2 scheint die Vergangenheit noch greifbar zu sein. Fässer stehen auf Holzdielen, in denen die Scharten sichtbar sind, die sich durch jahrzehntelange Arbeit eingeschliffen haben. Würden die Quartiersleute hierher zurückkehren, könnten sie nach der alten Holzkarre in der Ecke greifen und einen prall mit Kaffee gefüllten Jutesack daraufhieven, um ihn zur Luke zu fahren und dann per Winde zur Straße herunterzulassen.

Das Speicherstadtmuseum, das Henning Rademacher und Ralf Lange seit 1995 als private Außenstelle des Museums der Arbeit betreiben, ist ein authentischer Ort. Hier musste nichts inszeniert werden. Alles ist noch original, von der Trägerkonstruktion aus Holz, die den Raum prägt und gliedert, bis hin zu den Zählstrichen, die die Quartiersleute einst an der Wand als Merkhilfe markiert haben. Wer das so noch einmal erleben möchte, sollte sich beeilen, denn das historische Backsteingemäuer soll saniert werden. Das Speicherstadtmuseum muss deshalb bis Ende Oktober in einen anderen Speicher umziehen. Am 23. Oktober wird die Tür am St. Annenufer geschlossen, dann ist der alte Standort selbst Geschichte.

Mehr als 57 000 Menschen besichtigten allein im vergangenen Jahr das Speicherstadtmuseum, stiegen im engen Treppenhaus über Holzstiegen auf den dritten Boden hinauf. Das war atmosphärisch und nostalgisch, entsprach aber nicht mehr den aktuellen Sicherheitsstandards. Im neuen Domizil Am Sandtorkai 36 wird das etwas anders sein, dort erstreckt sich das Museum im Erdgeschoss, es gibt neue Sanitäranlagen, die räumliche Situation wirkt durch die hohe Decke, die großen Fenster und die schlanken Stahlstützen insgesamt heller und großzügiger. "Der Block L stammt aus dem Jahr 1888, also noch aus dem ersten Bauabschnitt der Speicherstadt, die von Kaiser Wilhelm II. persönlich eingeweiht wurde", sagt Ralf Lange. Nur der später verlegte Fußboden nimmt dem neuen Raum etwas von seinem historischen Charme.

Trotzdem sind Lange und Rademacher davon überzeugt, die alte Speicheratmosphäre hier wieder aufleben lassen zu können. Außerdem bringt der Standortwechsel erhebliche Vorteile: "Der neue Raum bietet gerade für Ausstellungszwecke gute Möglichkeiten. Und die Nachbarschaft zum Gewürzmuseum, zum Dungeon und zum Miniatur Wunderland wird sich sicherlich positiv auf die Besucherzahlen auswirken", sagt Lange.

Stärker noch, als es am St. Annenufer möglich war, wollen Lange und Rademacher aber auch die Geschichte der Speicherstadt thematisieren, in einer erweiterten Ausstellung mit zahlreichen historischen Dokumenten und Fotografien, die sie in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten zusammengetragen haben. Außerdem werden interessante Leihgaben gezeigt, z. B. ein Briefkasten für Kaffeeproben, der früher im Postamt am Kehrwieder stand. Nun wird er vom Museum für Kommunikation in Berlin an die Elbe zurückgeholt. Auch die wirtschaftliche Zukunft scheint gesichert, denn das Museum wird weiterhin von der HHLA gesponsert. Für die Realisierung der Ausstellung hat die Stiftung Historische Museen einen Zuschuss in Aussicht gestellt. Aber noch läuft der Museumsbetrieb am alten Standort wie gewohnt. Und auch einen krönenden Abschluss wird es nach 15 Jahren am St. Annenufer geben: Am 21. Oktober findet die letzte "Kriminacht" im alten Museum statt. Die renommierte Autorin Kate Atkinson stellt ihren neuesten Krimi "Das vergessene Kind" vor (deutsche Lesung: Heio von Stetten). Schon eine Woche später ist dann für den neuen Standort eine Preview geplant, wieder mit einer Krimi-Lesung, die diesmal Herbert Beckmann bestreitet, der aus seinem Roman "Die Nacht von Berlin" liest. Danach gibt es Freigetränke, und die Besucher können sich noch in Ruhe die neue Ausstellung anschauen.

Speicherstadtmuseum noch bis zum 23. Oktober am St. Annenufer 2, ab 29. Oktober am Sandtorkai 36. Weitere Informationen im Internet unter www.speicherstadtmuseum.de .