Mit “Green Lantern“ kommt eine weitere Comicverfilmung in die Kinos, und auch sie räubert im Fundus der Popkultur - von “Shrek“ bis Spock.

Comics sind unter anderem dazu da, um aus rücksichtslosen Draufgängern doch noch Helden zu formen. Der junge Testpilot Hal Jordan ist so ein Draufgänger, der vor lauter Selbstüberschätzung gerade einen sündhaft teuren Flieger-Prototyp geschreddert hat und damit fast seinen Job verliert. Ihm muss buchstäblich noch ein Licht aufgehen. Glücklicherweise ist genau das an einem fernen Punkt im All schon vorgesehen: Hal ist berufen, eine "Grüne Laterne" zu werden. Er wird als erster Mensch dem Corps der 3600 "Green Lanterns" angehören, einer intergalaktischen Eingreiftruppe Außerirdischer.

Mit Hal Jordan (Ryan Reynolds) zischt ein neuer Comic-Superheld jetzt in die Kinos wie ein grüner Blitz. Das "The Green Lantern"-Epos, das 1940 in den "All American Comics"-Heften begann, eröffnete damals gerade jugendlichen Lesern ein großes, fantasievolles Science-Fiction-Universum, das in Deutschland weit weniger bekannt ist als das von Super-Spider-Batman. Vor allem ist es außerirdischer, chaotischer und figurenreicher. Die Drehbuchschreiber standen vor der schwierigen Aufgabe, das Kinopublikum in die wichtigsten Elemente dieses Abenteuer-Reigens einzuführen, mit Jordan als sympathischer Hauptfigur.

Während der sich auf der Erde noch Strafpredigten von seiner Chefin Carol Ferris (Blake Lively) anhören muss, hat sich auf dem Planeten Oa ein ganz besonders fieses Wesen aus der Haft der Green Lanterns freigekämpft. Durch ein dabei tödlich verletztes Alien, das mit letzter Kraft zur Erde flieht, gelangt Hal in den Besitz eines Ringes, der ihm übermenschliche Willenskraft verleiht. Der Ring muss regelmäßig an einer grünen Laterne aufgeladen werden - putziges Randdetail aus der Zeit der Batterieradios - und führt Hal in eine gewaltige futuristische Raumblase.

Der Heimatplanet der Green Lanterns, Oa, ist als düstere Mega-City in eine Felsenlandschaft gebaut, auf deren Plateaus sich ein Panoptikum merkwürdiger Mitstreiter tummelt. Das Corps ist über den Zuwachs nicht begeistert: Menschen gelten als zu unzuverlässig und zu egofixiert. Weil sich aber das böse Wesen Parallax von der Furcht seiner Gegner nährt und Furcht unter den Green Lanterns tabuisiert ist, hilft hier nur ein Mensch, der an seine Grenzen stößt, sich seinen geheimen Ängsten stellen muss und damit Widerstandskraft entwickelt. Einer wie Hal.

Regisseur Martin Campbell (der unter anderem die James-Bond-Filme "GoldenEye" und "Casino Royale" drehte) stellt seinen Hauptakteuren eine Reihe ganz oder teilweise computeranimierter Figuren an die Seite. Einige wirken irgendwie vertraut: Green-Lanterns-Anführer Sinestro (Mark Strong) hat Spock-Ohren, Hals "Ausbilder" Kilowog ist ein Mix aus Shrek und den Orks in "Herr der Ringe". Auf der Erde infiziert sich derweil der unzufriedene Wissenschaftler Hector Hammond (Peter Sarsgaard) mit Parallax-Keimen und mutiert zum Erfüllungsgehilfen des Bösen. In der Comic-Vorlage wächst sein Kopf dadurch auf die Größe des Rumpfs an, im Film ähnelt Hammond eher dem Elefantenmenschen. Auch der krakenartige Parallax wabert durch das All wie ein Dementor des bösen Lords Voldemort in "Harry Potter". Es ist für Produktionsdesigner heute schwer, einerseits die Treue zur Vorlage aus den Sechzigern und Siebzigern zu bewahren und andererseits optisch neue Effekte zu finden, die das Publikum noch überraschen.

Ryan Reynolds bringt die Frische und den Übermut mit, die Hal lebendig machen. Aber Campbell lässt seinem Helden wenig Zeit, sein neues Tätigkeitsfeld auszuforschen. Welcher Art sind eigentlich die Beziehungen zwischen außerirdischen und menschlichen Green Lanterns, welche Werte verbinden sie, warum ist Furcht tabu? Solche elementaren Fragen verschwinden im Kawumm der Action. Carol Ferris hat ihren Pilotenkollegen gerade noch auf den Mond gewünscht, da verliebt sie sich - schwupp! - schon in ihn und spricht fernpsychologische Sätze wie: "Ich kann es sehen, du kannst deine Angst überwinden." Donnerwetter.

Hal Jordan wie auch sein Widerpart Hammond arbeiten sich an Kindheitserlebnissen ab. Auch das ist, siehe Hulk oder Batman, letztlich Comic-Tradition. Eine wirklich starke Figur aber schält sich in diesem mal irdisch-quietschbunten, mal düsteren Raumpatrouillenfilm nicht heraus. Was schade ist. Denn in der 70-jährigen Green-Lantern-Geschichte ist Hal Jordan nur einer unter mehreren Heldentypen, die nicht auf "das Gute" festgelegt sind und auch mal die Seiten wechseln.

Offenbar wollte Warner Bros. mit "Green Lantern" ein Zeichen setzen, vor dem baldigen Ende von "Dark Knight". Denn die Konkurrenz schläft nicht: Für Oktober 2011 ist Steven Spielbergs erster Tim-und-Struppi-Film angekündigt. Disney und Marvel Studios wollen im Mai 2012 "The Avengers" ins Kino bringen, in dem Superhelden wie Iron Man, Thor und Captain America die Welt retten; US-Kritiker sprechen schon vom "Summer of Marvel" nach den Filmstarts von "Thor" (Regie: Kenneth Branagh), "X-men - Erste Entscheidung" und "Captain America".

Bisher erntete "Green Lantern in der Comic-Gemeinde überwiegend skeptische Kritiken von "Comic-Trash-Granate" bis zu "uninspirierter Adaption". Allerdings bilden Comic-Filmkenner eine weltweite Expertengilde, deren Millionen Mitglieder alle heimliche Koproduzenten sind. Wer in diesen Kreisen unvorsichtigerweise sagt: "Och, ich fand den Film ganz vergnüglich", wird sofort mit Laserschwertern oder Plasmawaffen pulverisiert. Nichtsdestotrotz: Zum Reinschnuppern in das grüne Imperium - in 3-D - kann man sich den Film ruhig an... bzzzzzzz!