Cathérine Seifert spielt in Christiane Pohles Inszenierung von Tschechows “Die drei Schwestern“ am Thalia eine der unglücklichen Frauen.

Thalia-Theater. Es gibt Theaterstücke, zu denen hat jeder eine Meinung und eine genaue Vorstellung, wie sie auf der Bühne auszusehen haben. Anton Tschechows 1901 uraufgeführtes Sehnsuchtsdrama "Die drei Schwestern" ist so ein Stück. Das weiß auch Cathérine Seifert. Sie sitzt im Café beim Thalia-Theater und seufzt. "Ich kam schwer davon weg, mir das ohne Möbel und dampfenden Samowar vorzustellen", sagt die Schauspielerin. "Es war total befreiend, auf der Probe erst einmal die Sofas im Kopf wegzuräumen."

Seifert spielt zur Premiere am Donnerstag in Christiane Pohles Version des Klassikers am Thalia-Theater die Mascha. Wie ihre Schwestern "sitzt sie innerlich fest". Als mittlere der drei vegetiert sie in einer unglücklichen Ehe mit Kulygin vor sich hin, einem betulichen Langeweiler von Lateinlehrer. Nur kurzzeitig entkommt sie dieser Lethargie, als sie sich in den genauso unglücklich verheirateten Oberstleutnant Werschinin verliebt.

Blockaden und Hemmnisse prägen auch das Dasein von Maschas Schwestern, die in der verblichenen Glorie der Vergangenheit oder einer erträumten Zukunft leben, nicht aber in der Gegenwart. Olga, die Älteste, hat als Schuldirektorin eine ansehnliche Karriere hingelegt, doch in ihrem Privatleben herrscht gähnende Leere. Irina, die Jüngste und Schönste, visiert mit halbem Herzen eine Vernunftehe mit Leutnant Baron Tusenbach an, der kurz darauf bei einem Duell stirbt. Auch die Hoffnungen des unglücklichen Frauentrios auf Bruder Andrej, dem eine akademische Laufbahn in Moskau in Aussicht stand, haben sich mit dessen Eheschließung mit einem Landei radikal und endgültig verflüchtigt.

Da hockt die Familie nun also in der Provinz, in die es den verstorbenen Vater, einen Brigadegeneral, einst verschlagen hat, und seufzt das immergleiche "Nach Moskau!". "Die verstehen gar nicht, warum das Rädchen sich nicht so weiterdreht, wie sie es möchten", sagt Cathérine Seifert. "Das sind ja keine Figuren, die ständig zum Psychiater rennen." Andrej zieht sich aus diesem Elend zurück auf einen Dachboden, der in Christiane Pohles Inszenierung den Raum für das Geschehen bietet. Hier an diesem Rückzugs- und Erinnerungsort spielen sich die kleinen und großen Tragödien ab, die letztlich dazu führen, dass alles bleibt, wie es ist.

Die Regisseurin versucht aus diesem Drama der inneren Seelenzustände und einem Nebeneinander von Handlungszentren Momente des Absurden zu destillieren. "Wir wollen den wahnsinnigen Egoismus der Figuren kennzeichnen", erzählt Seifert. "Die leben nach eigenen Codes, ganz hermetisch und ziemlich arrogant. Mit ihrem eigenen Leid gehen sie in die Offensive." Pohle setzt stark auf das, was die Schauspieler anbieten. Eine Arbeitsweise, die Seifert gefällt. Die 33-Jährige ist eine von den Neuen im Ensemble. Die aparte Dunkelhaarige, die bislang mit geradliniger Direktheit in "Invasion" in der Gaußstraße glänzte und im großen Haus in "Peer Gynt", "Andersen. Trip zwischen Welten" und "Große Freiheit Nr. 7" mitwirkte, hofft, dass die Mascha so etwas wie eine Lieblingsrolle wird.

Für das feste Thalia-Engagement hat sie das Schauspielhaus Zürich verlassen, an dem sie unter anderem mit Jan Bosse und Jürgen Gosch arbeitete. Vor allem die Begegnung mit dem 2009 verstorbenen Gosch war prägend, auch wenn die gemeinsamen Arbeiten "Der Kirschgarten" und "Peer Gynt" nicht zu seinen Erfolgen zählten. Nach dem Wechsel von Intendant Matthias Hartmann an die Wiener Burg ging Seifert ans Thalia-Theater. Hier muss sie noch erst richtig ankommen, aber das Leben mit Ehemann und dreijähriger Tochter gestaltet sich deutlich leichter.

Für die Mimin, Tochter einer Gewandmeisterin am Schauspiel Münster, war die Schauspielerei eine frühe Verführung. Nach der Ausbildung an der Westfälischen Schauspielschule in Bochum erhielt sie 2001 den Förderpreis des Schauspielschultreffens in Berlin für ihre Rolle in "Früchte des Nichts" am Schauspielhaus Bochum, dessen Ensemble sie von 2002 bis 2005 angehörte. Hier spielte sie schon in jungen Jahren unter Regisseuren wie Matthias Hartmann, Jürgen Kruse oder David Mouchtar Samurai. "Wenn sich alles auflöst und man als Figur dasteht, ergibt sich eine Realität auf der Bühne, die größer ist", sagt Cathérine Seifert. "Das finde ich toll."

Die drei Schwestern Thalia-Theater (U/S Jungfernstieg), Alstertor, Karten von 13,50 bis 66,- unter T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de