Zum Auftakt zeigte das Kaltstart-Festival in Hamburg gelungene Theater- und Performance-Experimente. Eine Plattform für junges Theater.

Hamburg. Das Kaltstart-Festival, die Plattform für junges Theater, lebt von der Qualität der Kunst, aber auch von einer besonderen Werkstatt-Atmosphäre. Man entdeckt zum Beispiel den Zwischennutzungscharme ungewohnter Orte wie der Viktoria-Kaserne in Altona. Ein rasch eingezogener Vorhang trennt Performer und Zuschauer, die sich teilweise auf Papphockern niederlassen. Doch das, was die Cammerspiele Leipzig am ersten Festivaltag mit "Erniedrigte und Beleidigte" frei nach Fjodor Dostojewski abliefern, kann sich hören und sehen lassen.

Die Videoprojektion, das Chaos und der Revuecharakter sind erkennbar bei René Polleschs fröhlicher Berliner Volksbühnen-Anarchie abgeschaut. Das schadet aber nicht. Die fünfköpfige Truppe der Off-Bühne rettet den Stoff in der Regie von Sebastian Börngen derart respektlos und lebendig ins Heute, dass es eine Lust ist, zuzusehen. Auch wenn Schriftsteller Wanja eine Schreibkrise hat und erleben muss, wie seine Figuren sich dreist seiner bemächtigen. Da wird um Geld gestritten, hin- und wiedergeliebt, aber auch munter der sozialistische und der existenzielle Diskurs bemüht.

Um Identitätsfindung geht es auch in Peter Handkes "Kaspar" in einer Aufführung, die der in Hamburg überaus geschätzte Regisseur Alexander Riemenschneider am Theater Bonn entwickelt hat. Drei Auserwählte mit festgewachsenem Strahlegrinsen peitschen den armen Kaspar, der fern jeder menschlichen Gesellschaft heranwuchs, verbal zum gesellschaftlichen Erfolg. Der will sich anpassen, Erfolg haben, zur Not auch gegen die eigenen Bedürfnisse. Kaspar-Darsteller Hendrik Richter durchläuft einen mühsamen Lernprozess, an dessen Ende er ein vollwertiger showtreppentauglicher Entertainer sein wird, dem der Schweiß übers Gesicht und das Blut durch die Zähne rinnt. Das ist bitterböse, aber sehr klug übersetzt.

Ermüdend gerät dann zu später Stunde der "Reigen" nach Schnitzler von den Kammerspielen Wiesbaden. Die Kostüm- und Rollenwechsel von Valérie Lecarte und Jürgen Hellmann gelingen nur bedingt. Insgesamt ein verheißungsvoller Auftakt des größten und (noch) unbekanntesten Theaterfestivals des Nordens.

Kaltstart-Festival bis 2.7., diverse Orte, Programm unter www.kaltstart-hamburg.de