Das Ensemble Resonanz gab einen Vorgeschmack auf das Programm “urban string“, das im September beginnt. Neuer Kulttermin für jüngere Klassikfans.

Hamburg. So könnte das moderne Leben der Klassiker aussehen. So leicht, flirrend, irritierend, aufregend und unterhaltsam wie der erste Auftritt des Ensembles Resonanz in seiner neuen Reihe "urban string". Besser hätte es seinen neuen Probenraum im Kulturhaus III&70 am Schulterblatt nicht der Öffentlichkeit vorstellen können. Die Rote Flora direkt nebenan, der Galão-Strich auf der gegenüber liegenden Seite. Die Bürgersteige sind in fester Hand von Ausgeh- und Kulturwilligen, das Saturday Night Fever steigt, unten im Haus läuft sich das Kaltstart-Festival warm, der Konzertbeginn ist jugendfreundlich auf 21.30 Uhr angesetzt.

Ganz oben ist eine kleine Bar geöffnet, DJ Christian Naujoks lässt zart pulsierende Rhythmen die Ohren öffnen. Erwartungsvolle, entspannte, fast intime Lounge-Atmosphäre. 80 Zuhörer haben sich auf den Weg zu einem spannenden Programm gemacht: Der Venezianer Vivaldi trifft den knapp 300 Jahre jüngeren Amerikaner John Adams.

Adams "Shaker Loops" für sieben Streicher, komponiert 1978, nimmt das Pulsierende auf, seine repetitiven Strukturen entwickeln sich durch minimale Veränderungen, ein Oszillieren, aus dem immer Melodiefetzen aufsteigen, das aber immer stärker Trance-Qualitäten bekommt. Überraschenderweise ist Vivaldi mit dem "Sommer" und dem "Winter" aus seinen "Vier Jahreszeiten" nicht sehr weit von Adams entfernt - jedenfalls in der elektrisierenden Interpretation des Ensembles Resonanz mit Juditha Haeberlin, Violine. Roh, mit rauem Rhythmus, im Melodischen mal gehaucht, mal kräftig zupackend, setzen die Begleitstimmen den urbanen Puls von John Adams nahezu nahtlos fort. Die Solistin geht volles Risiko, greift auch mal beherzt daneben. Kein Problem, denn die Urgewalt dieses Vivaldi lässt niemanden kalt, am Ende tobt das Publikum im kleinen Saal.

"Urban string" kommt ganz ohne pädagogischen Zeigefinger aus, und die spontanen vogelkundlichen Ausflüge des Geigers Tom Glöckner, angeregt durch Vivaldis Zwitscher-Imitationen, waren eine liebevoll-skurrile Bereicherung des Hörerlebnisses. An das Kommen und Gehen während der Musik muss man sich wohl noch etwas gewöhnen; die Atmosphäre von "urban string" im Herzen der Großstadt, deren vielstimmige akustische Präsenz sich in den leisen Passagen mit der Musik verbindet, ist eine greifbare Bereicherung des Hamburger Konzertlebens und ein glaubwürdiger Beginn des Brückenschlags zwischen den angeblich so sehr getrennten Szenen.

Im September geht es dann regelmäßig los, und man muss kein Prophet sein, um jetzt schon festzustellen: Das wird ein neuer Kulttermin für jüngere Klassikfans.