In dem ZDF-Film “Klarer Fall für Bär“ spielt Konstantin Wecker einen Dorfpolizisten, der gemeinsam mit seinem Sohn einen Mord aufklärt.

Hamburg. Der Liedermacher Konstantin Wecker, 63, gilt seit Jahrzehnten als musikalisches Sprachrohr des links-alternativen Protestes und Ikone der Friedensbewegung. In dem ZDF-Film "Klarer Fall für Bär" (heute, 20.15 Uhr) spielt er einen Dorfpolizisten, der gemeinsam mit seinem Sohn einen Mord aufklärt.

Hamburger Abendblatt: Ausgerechnet Sie mussten nun eine Polizeiuniform tragen. Wie hat sich das angefühlt?

Konstantin Wecker: Ich habe verblüfft festgestellt, dass es mir streckenweise sogar gefallen hat, Uniform zu tragen. Insgeheim gibt es bei jedem Menschen Bereiche, die sich nach so etwas sehnen.

Dabei ist dieser Walter Bär, den Sie spielen, ein echter Spießer.

Wecker: Auch ich trage die Sehnsucht nach einer geordneten, geregelten Welt in mir. Es hat Spaß gemacht, das für einige Wochen auszuleben. Genauso spannend war es, die Liebe zu verbergen, die Walter Bär für seinen Sohn empfindet. Ich bin da anders, meine Kinder werden ständig geknuddelt.

Der Film ist sehenswert, aber auch reine Unterhaltung. Wie verträgt sich das mit Ihrem politischen Anspruch?

Wecker: Ich denke nicht, dass meine Haltung unglaubwürdig wird, wenn ich mal einen Dorfpolizisten spiele.

Sie sind seit 40 Jahren die Stimme der deutschen Protestkultur, aber zwischendurch standen Sie ziemlich alleine da. Wie ist es dazu gekommen?

Wecker: Ich bin überzeugt, dass sich ein Thinktank vor 20 Jahren vorgenommen hat, jede Form von Protest zu desavouieren. Das ging los mit einem Essay im "Spiegel" und der Diskriminierung der sogenannten Gutmenschen. Protest galt nicht mehr als sexy und wurde ins Lächerliche gezogen.

Immerhin hatte sich auch die politische Großwetterlage komplett geändert.

Wecker: Natürlich, dem Land ging es gut, der einzige Feind, der Kommunismus, war zerstört, der Kapitalismus hatte keinen Gegner mehr, also konnte er immer hemmungsloser werden.

Was hat sich in letzter Zeit geändert?

Wecker: Die Schwächen des Systems sind jetzt einfach nicht mehr zu kaschieren. Stuttgart 21 beweist, dass es Menschen aus den verschiedensten ideologischen Lagern auffällt, was für eine Mauschelei zwischen Wirtschaft und Politik getrieben wird. Seit der Finanzkrise glauben die Leute nicht mehr an das Mantra "Geht's der Wirtschaft gut, geht's auch den Bürgern gut".

Hat dieses Bewusstsein dazu beigetragen, dass Sie wieder stärker gefragt sind?

Wecker: Nein, ich hatte immer meine 100 Konzerte pro Jahr. Aber die Berichterstattung hat sich geändert. Als ich 2003 mit anderen Friedensaktivisten im Irak ein Zeichen gegen den drohenden Krieg gesetzt habe, bin ich von der Presse regelrecht fertiggemacht worden. Da die angeblichen Massenvernichtungswaffen nie gefunden worden sind, müssten sich einige Journalisten eigentlich bei mir entschuldigen.

Verliert man in solchen Momenten nicht die Lust, weiter den Kopf hinzuhalten?

Wecker: Solche Momente gibt's immer wieder, aber dann passiert irgendwas, über das ich mich so aufrege, dass ich einfach weitermachen muss. Außerdem machen erfolgreiche Aktionen wie die Verhinderung des NPD-Aufmarschs 2009 in Dresden natürlich Mut.

Für wie realitätsfern halten Sie Ihre Utopie einer herrschafts- und gewaltfreien Gesellschaft derzeit?

Wecker: Es ist ja das Wesen von Utopien, dass sie realitätsfern sind. Man braucht eine Utopie, um idealistisch bleiben zu können. Die matriarchalische Gesellschaft, die nicht auf Leistung bezogen ist, werde ich vermutlich nicht mehr erleben, und meine Kinder vielleicht auch nicht. Trotzdem muss man den Traum weiterträumen. Hannes Wader hat auf eine ähnliche Frage geantwortet: "Ich kann nicht anders." Das trifft es perfekt.

Waren zwischenzeitliche Zweifel ein Grund für Ihren Drogenkonsum?

Wecker: Ein Grund war der Ruhm, der mich völlig überrascht hatte. Ich habe anfangs nur deshalb Musik gemacht, weil das der beste Weg war, um mit meinen vertonten Gedichten möglichst viele Menschen zu erreichen. Ich hatte nie den Traum, riesige Hallen zu füllen.

In Ihrem Internet-Tagebuch zitieren Sie den Cellisten Pablo Casals: "Es ist nicht der Applaus, der den Künstler ehrt, sondern die Stille." Was bedeutet Ihnen das?

Wecker: Durch manche Lieder und Texte entsteht eine ganz bestimmte Stimmung. Niemand traut sich zu klatschen, um sie nicht zu zerstören. Es gibt viele Tricks, um Applaus zu erzeugen. Diese Stille aber entsteht nur, wenn man die Herzen erreicht. Für einen Musiker ist dies das größte Kompliment.

Ihre Konzerte werden wieder von vielen jungen Menschen besucht. Warum?

Wecker: Hannes Wader und ich singen zeitlose Lieder. Außerdem haben die jungen Leute auch wieder den Willen und die Lust zu protestieren. Da wächst eine Generation heran, die ein politisches Bewusstsein entwickelt hat. Und wenn man Mitte 20 ist, sind bestimmte Themen einfach wichtig - das war 1980 nicht anders als 2010.

Es gibt zwei sehr programmatische Titel in Ihrem Werk: "Die Kunst des Scheiterns", ein Buch, und "Kein Ende in Sicht", die Tournee mit Hannes Wader. Das klingt widersprüchlich.

Wecker: Das gehört zusammen. Im Leben kommt man nur durch Scheitern weiter. Bei Lesungen spreche ich von "Die Kunst des Scheiterns, Teil eins". Natürlich wird es irgendwann ein körperliches Ende geben. "Kein Ende in Sicht" ist eine Metapher für die Ideale, die mich überleben werden.