Die neue ARD-Vorsitzende, WDR-Intendantin Monika Piel, spricht über die Folgen der Programmreform und ihre Kooperationspläne mit Verlagen.

Köln. Seit 1. Januar ist die WDR-Intendantin Monika Piel, 59, neue ARD-Vorsitzende. Auf die erste Frau auf diesem Posten warten anspruchsvolle Aufgaben: Die ARD-Programmreform muss umgesetzt werden. Um die seit Langem geforderte Qualitätsdiskussion kommt der Senderverbund wohl nicht herum. Und der Konflikt mit den Verlagen um die Online-Angebote von ARD und ZDF ist nach wie vor nicht gelöst. Mit dem Hamburger Abendblatt sprach Frau Piel darüber, wie sie diese Aufgaben bewältigen will.

Hamburger Abendblatt: Frau Piel, so breit sind Ihre Ellenbogen ja gar nicht.

Monika Piel: In meinem Job brauche ich eher geistige Ellenbogen.

Ob geistig oder physisch: Man hatte in den letzten Monaten den Eindruck, die Intendantin des größten ARD-Senders kämpfte im Zuge der ARD-Programmreform mit massivem Ellenbogen-Einsatz um den bestmöglichen Sendeplatz für ihren Talkmaster Frank Plasberg.

Piel: Ich bin - ebenso wie die Fernsehprogrammkonferenz - davon überzeugt, dass Frank Plasbergs Format "Hart aber fair" schon anders ist als die übrigen Talkshows. Die Sendung hat als Unterscheidungsmerkmal nicht nur zahlreiche Magazinelemente, sondern lebt auch ganz wesentlich von der Zuschauerbeteiligung. Deshalb muss sie vor den "Tagesthemen" beginnen. Zudem hat der WDR Plasbergs bisherigen Sendeplatz am Mittwoch um 21.45 Uhr geräumt, damit die "Tagesthemen" einheitlich um 22.15 Uhr beginnen können. Wir haben also auch etwas eingebracht.

Ausgelöst wurde die jüngste Programmreform auch durch Günther Jauch und seinen neuen Sonntagstalk, der ab Herbst auf Sendung geht. Mit ihm kommt das Erste auf fünf Talkshows. Ihr eigener Rundfunkrat findet, ebenso wie die Rundfunkräte von BR, HR und MDR, dass dies zu viele sind.

Piel: Wir werden uns anschauen, ob das wirklich zu viel ist. Derzeit haben wir vier Talkshows, deren Quoten steigen. Das Publikum sieht solche Formate sehr gern. Dort werden auch nicht irgendwelche Banalitäten verhandelt. In unseren Talkshows geht es um gesellschaftlich wichtige Inhalte.

Treten künftig überall dieselben Gäste auf?

Piel: Um das zu verhindern, werden sich die Redaktionen der Gesprächssendungen mit dem ARD-Chefredakteur über Themen und Gästeauswahl abstimmen. Natürlich kann es Nachrichtenlagen geben - denken Sie etwa an die Debatte um das Sarrazin-Buch -, die die Behandlung ein und desselben Themas in mehreren Gesprächssendungen erfordern. Dann werden die Redaktionen aber inhaltlich unterschiedliche Akzente setzen und unterschiedliche Gäste einladen.

Entspricht es dem Qualitätsanspruch der ARD, dass Sie von den Privaten einen wie Kai Pflaume holen?

Piel: Eine Qualitätsdiskussion führen wir permanent. Ich lade jeden ersten Dienstag im Monat alle WDR-Redakteure ein, um mit mir über Qualität zu reden. Als ARD-Vorsitzende muss ich Ihnen aber sagen, dass wir ein föderaler Verbund sind, in dem jede Anstalt autonom ist. Es ist die Entscheidung des NDR, wen er die Shows moderieren lässt, für die er im Ersten verantwortlich ist und die er auch allein bezahlt. Ich kann meine Meinung als ARD-Vorsitzende dazu sagen, aber es wäre mir nicht möglich, den NDR daran zu hindern, Kai Pflaume als Moderator zu verpflichten.

Wird die Qualitätsdiskussion einer der Schwerpunkte Ihrer Amtszeit als ARD-Vorsitzende sein?

Piel: Ganz sicher.

Der neue Rundfunkstaatsvertrag schreibt für ARD und ZDF ein Sponsoringverbot nach 20 Uhr vor. Sie haben ein solches Verbot schon vor über zwei Jahren gefordert. Fühlen Sie sich bestätigt?

Piel: Ich hätte den Einnahmeausfall gern durch etwas höhere Gebühren ersetzt gehabt. Das ist nun nicht geschehen. Gerade für die kleineren, finanzschwächeren Anstalten ist das ein Problem. Schwierig ist auch, dass es Ausnahmeregelungen nur für große Sportveranstaltungen wie Olympische Spiele oder Fußballweltmeisterschaften gibt. Schon Übertragungen vom Skispringen werden ohne Sponsoring schwer zu finanzieren sein. Wenn man hier nicht nachbessert, bekommen kleinere Sportverbände große Schwierigkeiten: Wenn ihre Wettkämpfe nicht mehr übertragen werden, laufen ihnen die Sponsoren weg. Es gibt dann wesentlich weniger Geld für die Nachwuchsförderung, und die deutsche Sportlandschaft droht zu verarmen.

Ist das Sponsoringverbot der Einstieg in ein allgemeines Werbeverbot bei ARD und ZDF?

Piel: Das könnte sein. Die Ministerpräsidenten wollen das Thema 2014 noch einmal aufgreifen. Ich könnte ohne Werbung leben. Als Redakteurin habe ich früher vehement gegen Werbung protestiert. Die Werbeeinnahmen können ohne Kompensation aber nicht wegfallen. Wir brauchen da einen Ausgleich.

Sie sollen beste Kontakte zu den Verlagen haben. Mit der WAZ-Gruppe sind Sie eine Online-Kooperation eingegangen, die erste ihrer Art. Werden Sie in Ihrer Amtszeit als ARD-Vorsitzende den Konflikt mit den Verlagen um die Online-Angebote von ARD und ZDF entschärfen?

Piel: Die Lösung dieses Problems ist eines der wichtigsten Anliegen meiner Amtszeit. Ich kann da aber zunächst nichts anderes tun, als Gespräche zu führen. Mein Ziel ist es, mit den Verlagen eine Inhalte-Allianz zu schmieden. Unser gemeinsames Interesse ist es, den Qualitätsjournalismus hochzuhalten und eine möglichst vielfältige Medienlandschaft zu bewahren. Um eine solche Allianz ins Leben zu rufen, muss sich aber auch die andere Seite einig sein. Derzeit reden die Verleger selbst bei einem so wichtigen Thema wie kostenpflichtigen Online-Inhalten nicht mit einer Stimme.

Die Verlage glauben, dass Bezahl-Inhalte auch wegen der kostenlosen Angebote von ARD und ZDF keine Chance haben.

Piel: Die ARD wird in absehbarer Zeit eine Sportschau-App herausgeben, die vom WDR produziert wird. Ich habe vorher prüfen lassen, ob wir die App auch kostenpflichtig machen können. Wir würden in diesem Fall die Inhalte an unsere privatwirtschaftliche Tochter WDR mediagroup verkaufen, die sie auf dem Markt anbieten könnte. Wir haben aber festgestellt, dass es über 100 Sport-Apps in Deutschland gibt, die kostenlos sind. Als gebührenfinanzierter Senderverbund können wir nicht eine kostenpflichtige App anbieten, während die Angebote kommerzieller Unternehmen kostenlos sind. Sollten die Verlage es aber schaffen, ihre Angebote kostenpflichtig zu machen, setze ich mich mit aller Kraft dafür ein, dass unsere Angebote auch etwas kosten werden.

Sind weitere Kooperationen mit Verlagen nach dem Vorbild Ihrer Zusammenarbeit mit der WAZ-Gruppe geplant?

Piel: Wir im WDR sind mit der Axel Springer AG ...

... in der auch das Abendblatt erscheint ...

Piel: ... im Gespräch über einige Dinge.

Gibt es neben der Qualitätsdebatte und der Lösung des Konflikts mit den Verlagen ein weiteres Problem, das Sie als ARD-Vorsitzende angehen wollen?

Piel: In diesem Jahr müssen alle Landtage über den neuen Rundfunkstaatsvertrag entscheiden. Da kommt, auch angesichts der 2011 anstehenden Landtagswahlen, noch eine riesige Kommunikationsaufgabe auf uns zu.