Die Regisseurin Angela Richter zur Kritik an ihrem Salzburger “Tod in Theben“ und der Neuinszenierung auf Kampnagel: Der Ödipus Antigone Komplex.

Hamburg. Salzburg war ein Desaster. Daraus macht Angela Richter, 38, keinen Hehl. Die Regisseurin, die im Sommer mit ihrem Mann, dem Künstler Daniel Richter, von Hamburg nach Berlin gezogen ist, inszenierte bei den Salzburger Festspielen die deutschsprachige Erstaufführung von Jon Fosses "Tod in Theben", eine Kurzfassung von drei Sophokles-Tragödien. Die Premiere wurde von der Kritik verrissen, Angela Richter veränderte die Inszenierung. An diesem Donnerstag wird das Stück unter dem Titel "Der Ödipus Antigone Komplex" auf Kampnagel uraufgeführt.

Hamburger Abendblatt:

Wie lebt sich's jetzt in Berlin nach Ihrem persönlich motivierten Abgang im Sommer?

Angela Richter:

Na ja, um ehrlich zu sein, bin ich kaum in Berlin gewesen. Ich war in Salzburg, dann in Kroatien und habe anschließend in Oberhausen am Stadttheater inszeniert. Seit einer Woche bin ich wieder in Berlin.

Was ist in Salzburg bei den Festspielen eigentlich schiefgelaufen?

Richter:

Die Schauspieldirektion und ich haben ein sogenanntes Gentlemen's Agreement: dass wir nicht öffentlich darüber reden.

Ist es eher Ihre Sache, Projekte zu entwickeln, als ein vorgegebenes Stück zu inszenieren wie Fosses "Tod in Theben"?

Richter:

Ich habe schon verschiedene Texte inszeniert, Tschechows "Der Kirschgarten" zum Beispiel. Bei der Salzburger Produktion waren die Götter dagegen. (Lacht.) Ich will mich gar nicht herausreden, nur hatte ich nonstop mit Schadensbegrenzung zu kämpfen. Erst ist Geld weggebrochen, dann sind Schauspieler ausgefallen, dann habe ich mich von einigen getrennt.

Welche Schwierigkeiten hatten Sie mit Fosses Fassung der Sophokles-Dramen?

Richter:

Es machte Spaß, den Text zu lesen, davon war ich verführt. Aber erst in den Proben zeigte sich, dass er sehr schwierig für die Bühne umzusetzen ist. Es sind immerhin drei Stücke, und die Verknappung birgt die Gefahr der Oberflächlichkeit.

Hat Fosse die Aufführung gesehen?

Richter:

Er hat eine Probe gesehen. Der im Dunkel mit abgedimmten Lampen spielende Mittelteil, als Ödipus blind geworden ist, gefiel ihm am besten.

Stimmt es, dass Sie die Vorstellung wegen der Verrisse verändert haben?

Richter:

Nein, das habe ich schon davor gemacht. Die Verrisse waren nicht der Auslöser. Ich war mit der Premiere so unzufrieden, dass ich am nächsten Morgen die Schauspieler heimlich zusammentrommelte, um alles radikal zu ändern. Das hat mir auch Ärger eingebracht. Ich wusste nicht, dass es noch ein letztes Tabu am Theater gibt: Man darf den Text nach der Premiere einer Erstaufführung nicht verändern. Zumindest nicht in Salzburg. Es gab Stimmen, die mir mit Konventionalstrafe in Millionenhöhe gedroht haben.

Hatte denn Fosse damit Probleme?

Richter:

Nein, ich hatte ihn als Ersten von den Veränderungen unterrichtet. Er versteht künstlerische Probleme, wir haben uns mit ihm und seinem Verleger geeinigt, das hat die konsequente Neuinszenierung auf Kampnagel ermöglicht. Dafür bin ich sehr dankbar.

Was verändern Sie denn?

Richter:

Die grundlegenden Veränderungen haben wir schon direkt nach der Premiere gemacht. Die Frage für mich war immer: Was kann das Stück denn für heute noch leisten, um die Welt besser zu verstehen? Auf dieser Basis werden wir weitermachen.

Wie erklären Sie sich die derzeit fast überall gezeigten Inszenierungen antiker Dramen?

Richter:

Es scheint am Theater ein Bedürfnis zu geben, in unsicheren Zeiten die alten Griechen zu befragen, als wüssten sie die Antwort. Das halte ich für Wirklichkeitsverdrängung. Das Theater drückt sich davor, sich mit der Wirklichkeit auseinanderzusetzen.

Hat es Sie geärgert, dass Sie in den Kritiken häufig gegen Ihren Mann Daniel Richter ausgespielt wurden?

Richter:

Es war gar nicht geplant, dass wir beide im selben Sommer in Salzburg sind, Jürgen Flimm hatte mich schon vor zwei Jahren nach dem "Kirschgarten" eingeladen. Die Leute wissen doch nichts über mich. Das ist tendenziöser Sexismus: eine trübe Sichtweise, mit der ich mich lieber nicht ernsthaft auseinandersetzen will. Jon Fosse hat etwas Schönes und sehr Wahres über Theaterarbeit gesagt: so hard to succeed, so easy to fail.