Wer sich als Schauspieler in eine Inszenierung von Angela Richter begibt, braucht stabile Nerven. Mit Vorliebe wirft sie Szenen am Tag vor der Premiere über den Haufen. Improvisiert bis zum Exzess. Manch einer unterschätzt die zierliche, hellwache Regisseurin. In ihrer Theaterarbeit ist sie eine Kämpferin, die sich mit aller Kraft auf ein Thema wirft. Für ihr aktuelles Gastspiel auf Kampnagel aber kann sie auf einen Stamm aus Weggefährten bauen, der dieses angstfreie Ringen mit Stoffen schätzt.

Sie wolle keine Stücke aktualisieren, sondern "an der Gegenwart reflektieren", sagt die 38-jährige Regisseurin, die bei Jürgen Flimm Theaterregie studiert hat. 2006 eröffnete sie mit Künstlerfreunden ihre eigene Spielstätte Fleetstreet an der Admiralitätstraße, 2009 erhielt sie für ihre Inszenierung "Der Fall Esra" auf Kampnagel den Rolf-Mares-Preis. Genervt reagiert Angela Richter, wenn man sie auf das Zusammenleben mit ihrem Ehemann, Erfolgsmaler Daniel Richter, anspricht.

Lange galten beide als schillerndes Kreativpaar der Hansestadt, zu dessen Dunstkreis Maler wie Jonathan Meese und Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow zählen. Vor einem halben Jahr verließ das Paar unter lauter Schelte an Hamburgs Kulturpolitik mit Sohn David seine langjährige Heimat und sucht nun Inspiration auf dem Boheme-Spielplatz Berlin. Angela Richters Kampfplatz ist sowieso die Welt.