Heute wird posthum ein neues Album des größten Popstars der Welt veröffentlicht. So sehr nach Königs-Pop klingt das allerdings nicht mehr.

Hamburg. Doch, das ist schon Michael Jackson, den man da hört. Es ist alles da, was man mit dem "King of Pop" genannten, im vergangenen Jahr gestorbenen Musiker verbindet: die Sound-Bytes (klirrendes Glas, Kiekser, Fingerschnipsen, Chorgesänge), der glatt produzierte Sound und auch die Stimme des Meisters.

Dies festzustellen ist weniger banal, als es klingt. Denn waren es nicht zu viele Stimmen, die sich im Vorfeld dieses "neuen Albums" von Michael Jackson Zweifel an der Echtheit der Songs angemeldet hatten? Waren es nicht, ironischerweise, insbesondere Familienmitglieder des Clans, die sich auf der Spur von Fälschern wähnten?

LaToya Jackson zweifelte sofort an, dass es die Stimme ihres Bruders ist, die auf dem im November veröffentlichten Song "Breaking News" zu hören ist, und von Randy Jackson ist die Aussage überliefert, von der Familie habe niemand der Produktion des heute posthum erscheinenden Albums "Michael" beiwohnen dürfen. Man konnte nicht umhin, die Bekundungen der Jacksons, denen man doch nur zu schnell schlechte Absichten unterstellt (Leichenfledderei, Ausbeuten eines Mythos und dergleichen mehr), für überraschend zu halten, ist doch davon auszugehen, dass die Gewinnmarge des Jackson-Oeuvre noch weiter steigt.

Vielleicht sind es Skrupel, die einen durchaus umtreiben können, wenn sich Zweifel an der Klasse eines Albums einstellen und sich der Künstler, mit dessen Namen Geld verdient wird, nicht mehr wehren kann.

Denn "Michael" ist natürlich ein sehr, sehr mäßiges Album.

Wenig überraschend ist das; ja, es wäre eine Sensation gewesen, hätte Jackson in den letzten Jahren seines Lebens, das 2009 auf so tragische wie groteske Weise endete, noch etwas Starkes zuwege gebracht. Mit dem Ableben des Popgenies ging auch die Ära der Superstars zu Ende. Jackson selbst, zuletzt ein wandelnder Geist in einem albtraumhaften Gruselfilm, war als Künstler von Rang schon vor anderthalb Jahrzehnten von uns gegangen, als ihm mit den Nummer-eins-Hits "Earthsong" und "They Don't Care About Us" noch einmal Pop auf die Weise gelang, die ihn zum Größten seines Fachs werden ließ.

Ein "Off The Wall" oder ein "Thriller" war von Jackson nicht mehr zu erwarten, aber auf ein miserables Stück wie "Hold My Hand", es ist die erste Single und der Opener des keine 40 Minuten langen Albums, hätte man gerne verzichtet. Gaststar ist der Rapper und Sänger Akon (es wimmelt von Duettpartnern: 50Cent, Kravitz), man kann sich nicht entscheiden, wer mehr nervt bei dieser klebrigen Nummer, die eines Michael Jackson unwürdig ist. Der Song könnte auch von Marky Mark and the Fresh Prince sein: Obwohl diese Behauptung viel eher noch eine Beleidigung für dieses fröhliche Duo ("Happy People") darstellt.

Man fragt sich beim Hören des Albums ständig, wer hier performt: der Original-Jackson oder eine Projektionsfläche, auf die jeder seine Vorstellungen lenken kann, wie Jackson klingen sollte und wollte. Der beste Song ist ausgerechnet "Behind The Mask", geschrieben wurde er zu "Thriller"-Zeiten, Gleiches gilt für "Much Too Soon". Wir hören ein Saxofon-Intro, kreischendes Publikum aus der Retorte, einen seichten Beat und die typische Jackson-Song-Architektur: Alles ist clean, dabei aber geräumig genug, um zugleich funky und episch zu sein. Der Song klingt freilich nicht nach "Thriller", sondern nach "Dangerous". So ist das, wenn sich die Schaffensperioden miteinander vermischen.

Wie leer Jackson war, wie wenig er dem Pop im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends noch geben konnte, beweist "Best Of Joy", es ist einer der letzten Songs, den Jackson schrieb. Ein nettes Liedchen, es passte auf jede x-beliebige R&B-Platte.

Es erscheint natürlich schwer vorstellbar, dass Michael Jackson dieses zusammengeklaubte Album selbst veröffentlicht hätte. Was noch schwerer wiegt, ist die zu befürchtende Veröffentlichung weiterer Jackson-Alben, es ist noch mehr Material vorhanden. Besser wird's aber sicherlich nimmer. Wichtig wäre zumindest, Akon auf Abstand zu halten.