Die dritte Saison am Hansa-Theater begann mit großartigen Artisten, herrlichen Kunststücken, ganz viel Emotionen und vielen Prominenten.

Hamburg. Wenn die große Nähgarn-Rolle von Bändern zu Pirouetten geschleudert wird, wenn zottelige Hasen aus dem Hut gezaubert werden oder das Schlappseil zittert, dann ist wieder Showtime im Hansa-Theater. Hamburgs plüschigstes, coolstes und originellstes Theater ging am Donnerstagabend in die dritte Saison. Es wurde ein perfekter, bezaubernder Abend im Plüschquamperfekt.

Hier am Steindamm, in Deutschlands ältestem Variete-Theater, das in 107 Jahren mehr als 25 000 Artisten präsentierte und so manche Weltkarriere zündete, starteten die Chefs des St.-Pauli-Theaters, Ulrich Waller und Thomas Collien, vor zwei Jahren den Wiederbelebungsversuch des zuvor stillgelegten Hauses. Was für ein Glück! Kommen die Zuschauer doch so wieder in den Genuss, Kabarett, Varieté, viel Spaß und Emotion genießen zu können und dabei noch mit Schmankerln zum Essen und Trinken versorgt zu werden. Schalter umlegen am Tischchen genügt.

Wie schön ist es, den sehnigen, muskulös definierten Gummimenschen entspannt zuzuschauen und dabei ein paar Schnittchen zu verspeisen. Trainieren kann man ja morgen wieder. Auch wenn man solche Körper wie von Valérie Inertie, die traumverloren durch einen körperhohen Reifen wirbelt, oder Oleg Izossimov, der auf tellergroßen Unterlagen atemberaubendes Ballett auf Händen zeigt, wohl nie bekommen wird. "Da musste früher aufstehen" würde der Berliner sagen und meint: um an so einem großen Rad zu drehen. Wir konzentrieren uns lieber auf unseren Kopf und versuchen, das Rad neu zu erfinden. Ist ähnlich schwierig. Beide Künstler sind Ausnahme-Artisten, die auch im Moskauer Staatszirkus, in Las Vegas oder im Cirque de Soleil auftreten. Izossimovs geradezu unglaubliche Körperbeherrschung macht staunen. Und Valérie Inerties Tanz auf dem Riesenrad, der sie rasant rotieren lässt, erzeugt große Emotionen.

Begonnen hat der Abend, durch den der Kabarettist Arnulf Rating gut gelaunt führt, mit dem Diabolo-Duo Golden Time. Die beiden Artisten wirbeln sich die wie eine große Garnrolle aussehende Figur zwischen ihren Stäben und Schnüren derart rasant zu, dass man kaum bis drei zählen kann, da ist das Ding schon wieder durch die Luft, links herum und beim Partner gelandet. Unfassbar. Das ist eigentlich gegen die Gesetze der Physik, dass so ein Teil so lange fliegen kann.

Dann kommen die Berliner Comedian Harmonists und singen nicht nur vom "kleinen grünen Kaktus", sondern legen auch eine wunderbare Michael-Jackson-Nummer hin.

Das Schlappseil ist nichts für Schlappschwänze. Das bleistiftdünne Seil hängt ziemlich durch, doch der chinesische Artist Cong Tian vollführt darauf Einrad-, Reifen- und Handstandtricks höchster Schule. Seit 20 Jahren verbringt er täglich fünf bis sechs Stunden auf dem Seil. Man sieht's. Und ahnt das Motto des Ausnahme-Künstlers: Immer auf Draht sein.

Ulrich Tukur, charmant wie nur er sein kann, spielt dann auf dem Akkordeon und dem Klavier. Dass das dann nicht ganz so perfekt geprobt wirkt wie bei den Artisten, gehört irgendwie auch dazu.

Verblüfft beobachtet man den Zauberer Otto Wessely. Kann der etwa gar nicht zaubern und macht nur Klamauk? Er holt dutzendweise Stoffhasen aus seinem Zylinder, dreht ihr Fell um, lässt sie am Boden batteriebetrieben weiter zucken, steckt seiner Assistentin zum Dank Leckerli in den Mund. Dann verschluckt er Rasierklingen im Dutzend und holt sie an einer Schnur aufgereiht wieder aus seinem Mund. Unglaublich. Und wahre Zauberei.

Der Brasilianer Arthur Mansilla führt Fußballtricks vor. Kris Kremo, der umwerfend charmante und technisch brillante Jongleur, von dem selbst die Queen begeistert gewesen sein soll, wirft dann Hüte, Bälle und Blöcke durch die Gegend und fängt sie wieder auf, dass man mit den Augen kaum folgen kann.

Diese Saison ist nach zwei wunderbaren Spielzeiten am Hansa-Theater sicher die beste. Hohes Niveau, perfekte Darbietungen und viel Spaß sind garantiert. Am Premierenabend aber war ein weiterer Höhepunkt dabei: Das Publikum geriet völlig aus dem Häuschen beim Auftritt der Kessler-Zwillinge. Die 74-Jährigen, die auf eine einzigartige Show-Karriere verweisen können, begeisterten mit Gesang und Tanz. Es gab Standing Ovations. Zu Recht.

Eigentlich hatte sie der ganze Abend verdient.