Mit ihrem Wettbewerb “tonali“ fördern die Hamburger Amadeus Templeton und Boris Matchin hochbegabte Nachwuchsmusiker.

Hamburg. Seit Monaten summt eine knallrot bemalte Biene auf drei Rädern durch die Stadt. Ihre langen Ruhepausen verbringt sie möglichst sichtbar auf Verkehrsinseln an belebten Straßenkreuzungen oder auf öffentlichen Plätzen. Das flotte Gefährt, das die Italiener Ape (Biene) nennen und mit dem für gewöhnlich Obst- und Gemüsebauern durch ihre Plantagen und zum Markt tuckern, ist das Werbemobil für die Idee zweier findiger Musiker. Es soll neugierig machen auf den Wettbewerb "tonali", den die beiden ausgetüftelt haben und der Ende August erstmals über die Bühne der Laeiszhalle geht.

Andere rennen zum Ausgleich zu ihrer täglichen Arbeit um die Alster oder spielen Karten. Amadeus Templeton, 39, und Boris Matchin, 35, verbringen die Zeit, die sie nicht am Cello sitzen, am liebsten am Telefon. Da beide gut reden können und über ein ausgesprochen gewinnendes Wesen verfügen, stecken sie ihre Gesprächspartner leicht mit ihrem Enthusiasmus an. Nach gut eineinhalbjähriger Vorarbeit befinden sich Templeton und Matchin, gleichberechtigte Geschäftsführer von "tonali", jetzt in der heißen Phase ihres Wettbewerbs, dessen ehrgeizige Ziele hinter dem charmanten Werbeauftritt fast verschwinden.

"Wir suchten nach einer Möglichkeit der Spitzenförderung für junge Musiker", sagt Amadeus Templeton, der vor vier Jahren das kostenlose Hamburger Klassikmagazin "Concerti" mit aus der Taufe hob. "Der Wettbewerb 'Jugend musiziert' ist für die Breitenförderung in Deutschland da, und dann kommen schon die internationalen Wettbewerbe. Da klafft eine Lücke. Wir brauchen einen Anreiz für die wirklich Hochbegabten unter den in Deutschland lebenden Nachwuchssolisten." Stimmt. Warum ist bloß vorher keiner darauf gekommen?

Der bundesweit ausgeschriebene Wettbewerb soll alle zwei Jahre stattfinden. "tonali10" richtet sich an Geiger, 2012 sind Pianisten, 2014 Cellisten dran. 10 000 Euro winken dem Gewinner, "das höchste Preisgeld in Deutschland für einen Instrumentalwettbewerb", berichtet Matchin stolz. Die Altersgrenze liegt bei 21 Jahren. Die Besten unter den zwölf Teilnehmern - 30 hatten sich beworben, die jüngste Eingeladene ist 15 - wetteifern ab 27. August drei Tage lang öffentlich um den Preis.

Nach der Vorrunde in der Alfred-Schnittke-Akademie und dem Semifinale in der kleinen Laeiszhalle bleiben noch drei Kandidaten fürs Finale am 29. August im großen Saal der Laeiszhalle übrig.

Die Ausrichtung dieses Finalkonzerts und die Publikumsakquise dafür sind ein weiterer Clou von "tonali". Denn die Initiatoren haben sich in den Kopf gesetzt, möglichst viele junge Zuhörer für den Konzertbesuch zu gewinnen - schließlich lautet ihr Motto: "Der Zukunft Gehör verschaffen", und Schüler gehören zur selben Altersgruppe wie die hochbegabten Geiger, die bei "tonali10" was werden wollen.

Nachdem ein Rundbrief an alle Schulen mit der Bitte um Mitwirkung und Unterstützung in den meisten Lehrerzimmern versandet war, tingelten Templeton und Matchin im Frühjahr selbst mit ihrem fleißigen Bienchen über die Schulhöfe. An fünf großen Schulen agitierten sie die Lehrer, "tonali" auch im Musikunterricht zu behandeln. Und die Schüler ließen sich dazu anstiften, unter ihren Kameraden Tickets fürs Wettbewerbsfinale zu verkaufen. Dazu sollten die Schulen ihrerseits in einen Wettstreit treten, aber dieser Plan hat bislang noch keinen durchschlagenden Erfolg. Eine der fünf Partnerschulen steht immer noch mit null Tickets auf der tonali-Website.

Wer fürs Wettbewerbsfinale eine Karte kauft, darf per SMS über die Vergabe der Publikumspreise mit abstimmen. Die dafür vorgesehenen 7800 Euro finanzieren sich unmittelbar aus den Eintrittsgeldern - "für die SMS fallen keine Sondergebühren an", sagen die Initiatoren. Wer die höchste Gunst der Jury erringt und zugleich als Favorit des Publikums aus dem Rennen geht, verlässt den Wettbewerb um 14 000 Euro reicher. Dem Sieger winkt zudem die Betreuung einer aufstrebenden Konzertagentur in Lörrach.

Auch in der Besetzung der Jury gehen die beiden Tonalis neue Wege: "Wir wollten keine Profijuroren, die kaum mehr selber auf der Bühne stehen, sondern junge, aktive Musiker." Aufgrund ihrer guten Kontakte zur Szene - Ehrenpräsident von "tonali" ist der Dirigent und Nachwuchs-Mentor Christoph Eschenbach - gewannen sie als Preisrichter so renommierte Geiger wie Baiba Skride, den Konzertmeister der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, Florian Donderer, oder Florin Paul, Konzertmeister des NDR-Sinfonieorchesters.

Weil auch das Repertoire dem jugendlichen Imperativ gehorcht, ist eines der Pflichtstücke des Wettbewerbs eine zeitgenössische Komposition, die als Auftragswerk von "tonali" entstand. "Der Dichter spricht" heißt das Werk für Violine solo von Tobias Krampe, das bei einem Kompositionswettbewerb am meisten überzeugte. Womit die Tonalis auch dem Kalender Genüge tun, denn das Stück sollte einen Bezug zu den "Kinderszenen" von Robert Schumann haben, dessen 200. Geburtstag sich am 8. Juni jährte.

Das Ensemble Resonanz, das unter der Leitung von Gabriel Feltz die Finalisten begleitet, verzichtet auf seine Gage ebenso wie die Juroren.

Tonali10 Fr 27.8., 10.00-18.00, Vorrunde, Alfred-Schnittke-Akademie, Sa 28.8., 10.00-18.00 Semifinale, Laeiszhalle, kleiner Saal, Eintritt frei. So 29.8. 18.00 Finale, Laeiszhalle, Einheitspreis 6,- unter T.: 45 33 26 oder 44 02 98