Der Liebesfilm “Mademoiselle Chambon“ überzeugt

Jean arbeitet auf dem Bau als Maurer, er ist ein liebender Ehemann und aufmerksamer Vater, ein Mann großer Worte ist er nicht. Er lebt ein einfaches Leben, das er bereitwillig akzeptiert hat. Erst als er Mademoiselle Chambon begegnet, der Lehrerin seines Sohnes, ändert sich das. Plötzlich entdeckt er eine Welt, die jenseits seiner eigenen liegt. Sie findet ihren Ausdruck in der klassischen Musik und im Violinspiel der Lehrerin. Umgekehrt ist die Lehrerin fasziniert von dem gelassenen Stolz, mit dem er vor der Klasse von seinem Beruf erzählt. Ein Haus zu bauen, das sei etwas Solides, ein Fundament für das Leben seiner zukünftigen Bewohner. Und doch beginnt sein eigenes Fundament kurz darauf zu zerbröckeln. Die Lehrerin bittet ihn, einen morschen Fensterrahmen in ihrer Wohnung anzuschauen. Mit schöner Selbstverständlichkeit tauscht er ihn aus und lässt sich dafür mit einem Violinspiel belohnen.

Durch seinen Film über einen alternden Gerichtsvollzieher, "Man muss mich nicht lieben", ist Regisseur Stéphane Brizé 2005 auch hierzulande bekannt geworden. Der Protagonist von "Mademoiselle Chambon" gehört ebenfalls einer Berufsgruppe an, die man selten auf der Leinwand sieht. Als Film, der von einer Amour fou erzählt, ist Brizés vierter Spielfilm höchst ungewöhnlich, weil er nicht von plötzlich entflammter Leidenschaft handelt, sondern von einer langsamen, verhaltenen Annäherung, bei der es auch um Verzögerungen geht. Es sind gerade die kleinen Momente des Alltäglichen, die dem Film wichtig sind, die Gesten, weniger die Worte. Wenn Jean etwa seine Arbeit an dem Fensterrahmen beendet hat, bemerkt er, dass die Lehrerin auf dem Bett eingeschlafen ist. Er betrachtet sie einen Moment durch die offene Tür und verlässt dann wortlos ihre Wohnung.

Mit Vincent Lindon hat Brizé einen Hauptdarsteller gefunden, der nach "Welcome" einmal mehr seine Fähigkeit unter Beweis stellt, mit der Reduktion des Spiels einen einfachen Menschen darzustellen.

Bewertung: empfehlenswert Mademoiselle Chambon Frkr. 2009, 101 Min., o. A., R: Stéphane Brizé, D: Vincent Lindon, Sandrine Kiberlain, täglich im Holi; www.arsenalfilm.de