Im dritten “Polizeiruf 110“ am Sonntagabend in der ARD mit Matthias Brandt als Hanns von Meuffels geht es um einen Mord im Voralpenland.

"Mit Gesetzen kann man in Texas nichts machen. Hier wird es erst besser, wenn die Leute sich auf ihr Gewissen besinnen." Mit diesen Sätzen endet der 1943 gedrehte Western-Klassiker "Ritt zum Ox-Bow" mit Henry Fonda und Anthony Quinn, in dem es um Moral geht und um Lynchjustiz. Texas als Ortsangabe streichen, Alpenvorland hineinschreiben, die Rindviecher drin lassen und die Uhr auf 2012 vorstellen, schon ist man mittendrin im dritten Fall des Münchner "Polizeiruf"-Kommissars Hanns von Meuffels.

Nachdem Matthias Brandt zuletzt in einem "Polizeiruf"-Kammerspiel mit anonymem Bombenterror und Todesängsten in der Großstadt konfrontiert wurde, wird er nun - wieder in der punktgenauen, schnörkellosen Regie von Hans Steinbichler - mit traditionellem Psychoterror auf engstem Raum, in einem vermeintlichen Dorfidyll konfrontiert. Als wäre Shakespeare nicht in England aufgewachsen, sondern dort, wo die Kühe noch glücklich sind, die Kerle Mannsbilder und die Lederhosen krachen, sobald die Dorfmusi spielt.

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In diesem Biotop kennt sich Steinbichler gut aus, er beweist Gespür für die fast archaischen Regeln, die dort noch unwidersprochen herrschen. "Wenn man, so wie ich, vom Dorf kommt, nimmt man das Dorf natürlich erst mal als Hölle wahr. Dort weiß jeder über jeden Bescheid, das war auch schon vor Facebook so. Wenn man dann aber weggeht, wird das Dorf doch wieder zum Sehnsuchtsort. Ich habe beides versucht zu vereinen. Das, was man sieht, ist die Idylle, und das, was dahinter droht, ist die Hölle."

"Ne bis in idem", nicht zweimal in der gleichen Sache darf jemand verurteilt werden - mit diesem Rechtsgrundsatz wird Meuffels Assistentin Anna Burnhauser von einem Richter belehrt. André Jung flüstert dessen Part mit bedrohlich verdunkelter Fiesheit und der Melancholie eines Schubert-Lieds dahin, als wäre er eine Reinkarnation von Vito Corleone. Vor zwölf Jahren wurde der Dorfbewohner Xaver Edlinger im Welten entfernten München des Mordes angeklagt, aber von eben diesem Richter freigesprochen. Das Opfer wurde, wir sind im Freistaat, mit einer Bierflasche erschlagen, durch die Dorfgemeinschaft ging seitdem ein abgrundtiefer Riss. War's der Xaver, hat er damals den Filser Toni ermordet?

Als endlich Gras über die Sache gewachsen scheint, bricht die überehrgeizige Jungpolizistin Burnhauser die alten Wunden wieder auf, denn ihre daheimgebliebene Schwester, die Kathi, will den Edlinger Xaver heiraten. Anna Maria Sturm, die bislang nur großäugiger Sidekick mit Lockenköpfchen war, wird nun endlich ein Eigenleben gegönnt, eine Vorgeschichte, ein Trauma.

Und auch an Hanns von Meuffels, dem aus Bremen importierten Hauptkommissar, der noch das "HB" auf dem Nummernschild seines Fiat-Spider-Cabrios durch die bajuwarische Postkartenlandschaft spazieren fährt, entdeckt man neue Facetten. Meuffels kann, wenn es sein muss, auch mal cholerisch rumbrüllen. Er hat einen Vater, der ihm selbst durchs Telefon die Nerven rauben kann, und dieser Vater hat ihm auch noch einen Hund zur Pflege übergeben, der "Frau Klein" heißt.

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Solche Details, seien sie auch noch so verschroben, nutzt Brandt mit der aufs Nötigste reduzierten Virtuosität eines Konzertpianisten, um mit jedem gelösten Rätselchen neue Fragen zu stellen, wie dieser Fremdkörper in München tatsächlich ist, und erst recht in dem Kuhdorf, in das es ihn verschlägt. Wie er tickt, welche Überraschungen er wohl noch parat hat. Gibt es Frau und Kinder? Geliebte? Einen Geliebten? Oder wenigstens eine geliebte Briefmarkensammlung, wenn die anderen von und zu Meuffels ansonsten schon "halb verarmt sind und halb verblödet"? "Man hätte den Mann auch zu Ermittlungen nach Burkina Faso schicken können, so fremd ist er in dieser Welt und so orientierungslos", beschreibt Brandt diesen Auslandseinsatz, bei dem er ständig einen Dolmetscher gebrauchen könnte.

Dieser Meuffels wirkt umso intensiver, je weniger er sich regt. Seine Verhöre sind Flirts mit dem schlechten Gewissen des Gegenübers. Am Ende fließt wieder Blut, und Meuffels letzte Szene endet mit dem Satz: "Es ist etwas Schreckliches passiert." Danach darf der Fremdenkommissar wieder zurück in die Gegenwart. In die Stadt, die so sicher ist und so beruhigend kompliziert.

"Polizeiruf 110 - Schuld" So, 20.15 Uhr, ARD