Medien-Tausendsassa Markus Peichl, der die Zeitschrift “Tempo“ gründete, wird Redaktionsleiter der Gottschalk-Talkshow.

Hamburg. Man kann nicht behaupten, dass Thomas Gottschalks mittlerweile nicht mehr so ganz neuer Vorabend-Talk an einem Mangel an Mitarbeitern kranken würde. Bekanntlich sitzt die Redaktion zusammen mit dem Moderator in einem Studio. Einige der Redakteure kennen die Zuschauer inzwischen: Da ist etwa die Internetredakteurin Caro, mit der Gottschalk betreut twittern darf. Oder der Politikredakteur, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Karl-Theodor zu Guttenberg hat.

Die Sendung hat auch eine Pressesprecherin, die man beispielsweise fragen kann, ob es denn stimmt, was die "Süddeutsche Zeitung" gestern meldete, dass nämlich der frühere "Tempo"-Chefredakteur Markus Peichl Redaktionsleiter bei "Gottschalk live" werden soll. Die Sprecherin bejaht das, und auf die Nachfrage, wer denn bislang der Redaktion vorstand, sagt sie: "Es gab bisher keinen Redaktionsleiter."

Das ist erstaunlich und naheliegend zugleich. Erstaunlich ist es, weil sogar jede wöchentliche Talkshow - "Gottschalk live" läuft viermal die Woche - einen Redaktionsleiter hat. Und man gilt in der Branche nicht als übertrieben autoritätsfixiert, wenn man der Ansicht ist, dass ein solches Format auch einen Chef haben muss. Andererseits überrascht es nicht, dass "Gottschalk live" bisher keinen Redaktionsleiter hat. Die Sendung hat diesen gewissen chaotischen Charme, der basisdemokratischen Veranstaltungen eigen ist: Gottschalk wirkt stets etwas unvorbereitet und vergisst gerne die Namen seiner Gäste. Der Sendung fehlt eine Dramaturgie ebenso wie eine stringente Gesprächsführung. Stets fragt man sich, was Gottschalks Redaktion eigentlich den lieben langen Tag so tut.

Die Sendung am Dienstag war mal wieder symptomatisch: Erster Gast war der Taxifahrer, der Joachim Gauck vergangenen Sonntag ins Kanzleramt fuhr, und den Gottschalk erst duzte und dann siezte. Danach kam die Hamburger Journalistin Silke Burmester. Der Moderator lobte erst ihr neues Buch und dann den Umstand, dass dessen Autorin Mutter eines Sohnes ist. Schließlich kam er zurück zum Thema Gauck und wollte von seinem Gast wissen, ob es in Ordnung sei, dass der künftige Bundespräsident in wilder Ehe lebt. Zwischendurch versemmelte Gottschalk den Übergang zur Werbung und nannte die Journalistin "Kollegin Silvia".

Auf Peichl, der gestern zum ersten Mal in der Redaktion nach dem Rechten sah, kommt viel Arbeit zu. Offiziell beginnt er seinen neuen Job erst am 1. März. Er ist die letzte Hoffnung für "Gottschalk live". Mitunter verfolgen weniger als eine Million Zuschauer den Talk. Der Marktanteil schwankt zwischen indiskutablen 3,5 und 5,5 Prozent. Vor Sendestart hatte Gottschalk in einem Interview verraten, dass mit der ARD ein Marktanteil von mindestens acht Prozent vereinbart sei. Er selbst strebe einen zweistelligen Wert an.

Dem Medien-Tausendsassa Peichl ist zuzutrauen, dass er die Sendung zumindest etwas aus dem Quotentief führt. Immerhin hat er einst die preisgekrönte Talkshow "0137" entwickelt, die bei Premiere, dem heutigen Sky, lief. Zudem war er von 2003 bis 2007 Redaktionsleiter von Reinhold Beckmanns Talkshow im Ersten. Die Hamburger kennen den 53-Jährigen, der in Berlin eine Galerie führt, aber vor allem als Vorsitzenden der Lead Academy, die alljährlich in den Deichtorhallen den Zeitschriftenpreis Lead Awards verleiht.

Was wird er als Erstes tun? Die Zahl der Gäste auf einen pro Sendung herunterfahren, weil es keinen Sinn macht, in nur 25 Minuten zwei Interviews zu führen? Oder wird er Gottschalk ein intensives Moderationstraining verordnen? Auf bereits vorhandene Ideen aus der Redaktion kann Peichl indes nicht hoffen. Am Ende der Sendung vom vergangenen Dienstag durfte Silke Burmester einen Blick in die drei Schubladen von Gottschalks großem Schreibtisch werfen. Sie waren allesamt komplett leer.