Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe am Steintorplatz öffnet seine neue Sammlung Moderne am Wochenende mit einem großen Fest.

Hamburg. Fantastisch, magisch, aber auch befremdlich wirken die Ganzkörpermasken, die hier wie auf einer Bühne zu stehen scheinen. Sind sie Mensch, Maschine oder Tier? 1923 haben die beiden Maskentänzer Lavinia Schulz und Walter Holdt diese ebenso bizarren wie fantastischen Kunstwerke mit einfachsten Mitteln hergestellt, um später mit ihnen zu zeitgenössischer Musik auf nie dagewesene Weise zu tanzen. In ihrem Ausdruckstanz verbanden sich Kunst und Technik, archaische Riten und futuristische Visionen.

Dieser Tanz war Ausdruck eines künstlerischen Aufbruchs, er sprengte Konventionen und dürfte manchen Zuschauer bis in seine Träume verfolgt haben. Schulz und Holdt traten zum Beispiel bei den berühmten Hamburger Künstlerfesten im Curio-Haus auf, wo in den 1920er-Jahren aufwendige Gesamtkunstwerke aus Theater, Musik, Tanz, Literatur und bildender Kunst zu erleben waren. Das Leben der avantgardistischen Tänzer endete jedoch tragisch: Nach sechs Wochen ohne Engagement war das Paar fast am Verhungern. Nach einem Streit erschoss Lavinia Schulz am 18. Juni 1924 erst ihren Mann und dann sich selbst. Das noch nicht einjährige Kind blieb zurück. Die Masken, die später in den Besitz des Museums für Kunst und Gewerbe gelangten, gehören jetzt zu den eindrucksvollsten Exponaten der Sammlung Moderne, die am Sonnabend mit einem zweitägigen Fest eröffnet wird. Studenten der Hochschule für Musik und Theater werden dann Kopien der historischen Originalmasken mit einer musikalisch-theatralisch-tänzerischen Aufführung zum Leben erwecken und einen Eindruck vom künstlerischen Aufbruch zu Beginn des 20. Jahrhunderts vermitteln.

Die Moderne

Paten für Museumssäle

Dieser Aufbruch ist das Generalthema der neu gestalteten Sammlung Moderne, die zugleich den Auftakt für die im Laufe dieses Jahres stattfindende weitere Wiedereinrichtung zentraler Sammlungsbereiche des Museums bildet. "Nach sieben Jahren, in denen wichtige Bereiche unseres Hauses geschlossen bleiben mussten, wird die Generalsanierung jetzt abgeschlossen", sagt Museumsdirektorin Sabine Schulze, die der Eröffnung auch ein neues Konzept zugrunde gelegt hat: "Viel stärker als bisher führen wir die einzelnen Abteilungen des Hauses zusammen, um unseren Besuchern einen möglichst anschaulichen und umfassenden Eindruck thematischer Zusammenhänge zu ermöglichen."

Kuratorin Claudia Banz hat sich daher für insgesamt sieben "Denkräume" entschieden, in denen sie die einzelnen Aspekte der Moderne spartenübergreifend darstellt, natürlich stets ausgehend von den Möglichkeiten und Schwerpunkten, die die Sammlung des Hauses zu bieten hat. Ob der Begriff Denkraum glücklich gewählt ist, mag man bezweifeln, denn obwohl der interessierte Besucher natürlich gefordert ist, sich in das jeweilige Thema hineinzudenken und thematische Zusammenhänge herzustellen, sind es vor allem sinnliche Erlebnisräume. So zeigt der Saal, in dem es um Expressionismus und Tanz geht, einerseits die originalen Masken von Schulz und Holdt, dazu als Projektion die "Notenschrift", in der die Tänzer die jeweiligen Bewegungsabläufe festgehalten haben, andererseits aber auch eine afrikanische Yoruba-Maske als Leihgabe aus dem Museum für Völkerkunde. Und eine Holzskulptur von Erich Heckel, an der deutlich wird, welche Bedeutung fremde Kulturen für den Aufbruch der Mitglieder der expressionistischen Künstlervereinigung "Brücke" besessen haben.

Doch der Bogen, den die Ausstellung schlägt, reicht bis in die Gründungszeit des Museums zurück, in die Zeit der Weltausstellungen. Industrielle Fertigung einerseits und Stilpluralismus andererseits schufen letztlich die Voraussetzung dafür, dass sich mit der Stilkunst um 1900 ein Aufbruch ereignen konnte. "Vom Jugendstil zum Industriedesign" heißt ein weiterer Schwerpunkt, in dem es um das Wirken des Architekten und Designers Peter Behrens geht.

"Neues Wohnen" ist das Thema eines weiteren Schwerpunkts, in dem als Raum im Raum eine "Frankfurter Küche" aufgebaut ist. Die Wiener Architektin Margarethe Schütte-Lihotzky hatte 1926 diese Einbauküche, die 238,50 Reichsmark kostete, als "völlig neuartiges Haushaltslaboratorium" geplant. In mehr als 10 000 Wohnungen des 1925 bis 1930 realisierten reformorientierten Wohnungsbauprogramms "Neues Frankfurt" wurde dieser Prototyp der modernen Einbauküche integriert.

Wie umfassend eine neue Idee Realität werden kann, zeigt besonders anschaulich der "Denkraum Abstraktion Moderne". Ausgehend von der Malerei wird hier vorgeführt, wie sich das Konzept der Abstraktion auf die Gestaltung von Möbel und Dekor auswirkt. Faszinierend ist eine original erhaltene expressionistische Wohnraumeinrichtung, die von Hermann Höger in Zusammenarbeit mit Ludwig Kunstmann gestaltet wurde. Den Auftrag dafür erteilte das Ehepaar Werdermann aus Eppendorf, das damit seine Wertschätzung für handwerklich gefertigte Unikate unter Beweis stellte - in einer Zeit, in der die Stahlrohrmöbel des Bauhauses als Prototypen der industriellen Fertigung immer größerer Bedeutung erlangten.

Sammlung Moderne Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, ab 18.2., Di-So 11.00-18.00, Do bis 21.00