Das internationale Handelsabkommen ACTA soll die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen erleichtern. Doch weltweit gibt es Proteste.

Hamburg. Der Protest ist auf der Straße angekommen: Vor einer Bushaltestelle in Eppendorf hat jemand in großen Lettern "Stop ACTA" auf den Bürgersteig gemalt. Das internationale Abkommen, das vollständig Anti-Counterfeiting Trade Agreement (auf Deutsch: Handelsabkommen gegen Fälschungen) heißt, erregt derzeit die Gemüter wie kaum ein anderes digitales Thema. Von Zensur, Netzsperren und Aufhebung der Privatsphäre ist als direkter Konsequenz des Abkommens die Rede, Blogs, Facebook-Gruppen und Twitter-Nutzer übertreffen sich gegenseitig in ihren Befürchtungen.

Denn neben Produktfälschungen und Generika-Medikamenten behandelt ACTA auch digitale Produktpiraterie und den zukünftigen Umgang mit dieser Form von Urheberrechtsverletzungen. Ein Thema, das immer für großes Echo in der Netzgemeinde sorgt. Die steht ohnehin noch unter dem Eindruck der Proteste gegen die restriktiven US-Gesetzentwürfe SOPA und PIPA - sie sahen drakonische Strafen im Fall von Urheberrechtsverletzungen vor. Nimmt man nun hinzu, dass das ACTA-Vertragswerk unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wurde, entsteht einiges an Dynamik.

In Polen demonstrierten Tausende so lange, bis Ministerpräsident Donald Tusk die Ratifizierung aussetzte. Sein tschechischer Amtskollege Petr Necas ließ am Montag mitteilen, dass die Ratifizierung von ACTA vorerst ausgesetzt werde. Auch hier wird rege diskutiert. Deutschland gehört zu den EU-Ländern, die ACTA noch nicht unterzeichnet haben. Für den 11. Februar sind deshalb in 54 Städten - darunter auch Hamburg - Demonstrationen geplant. Und auch hier vermischt sich, was nicht zusammengehört: Auf der einen Seite stehen begründete Vorwürfe von politischen Parteien und Nichtregierungsorganisationen. Sie kritisieren vor allem die Intransparenz des Entstehungsprozesses und den rechtlichen Interpretationsspielraum, den viele der Regelungen lassen würden. Auf der anderen Seite stehen Akteure wie Anonymous: In einem YouTube-Video behauptet das Hackernetzwerk, das Abkommen würde Internetdienstanbieter (z. B. Telekom, 1&1) dazu verpflichten, alle über sie versendeten Datenpakete zu durchleuchten und im Fall von Urheberrechtsverletzungen den jeweiligen Nutzern den Internetzugang zu sperren.

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Keine dieser Sanktionen ist jedoch wörtlich im Vertragstext enthalten, weshalb auch Burkhard Masseida von der Piratenpartei Hamburg warnt: "Man muss sachlich bleiben." Auch so fänden sich genügend Punkte, die Protest rechtfertigen. Zum Beispiel kritisiert Masseida die hinter verschlossenen Türen geführten Verhandlungen und die seiner Ansicht nach "bewusst vage gehaltenen Formulierungen", die weiteren Regulierungsbestrebungen Tür und Tor öffnen würden. ACTA sei der Versuch, "mehr Überwachung zu verankern".

Auch Katharina Fegebank, die Landesvorsitzende der GAL, hält das Video für überspitzt. Das dahinterstehende Anliegen unterstützen sie und ihre Partei dennoch. In einem gestern veröffentlichten Aufruf zur Teilnahme am Protest bemängeln Fegebank und andere Parteimitglieder, dass die Verhandlungen unter Umgehung der Parlamente nur auf internationaler Regierungsebene geführt wurden - und die Gefahr, dass durch ACTA Freiheitsrechte im Netz eingeschränkt werden könnten. Der Schutz geistigen Eigentums sei ein wichtiges Anliegen, ACTA jedoch der falsche Weg, um ihn durchzusetzen.

Eine Gruppe europäischer Rechtsexperten übergab darüber hinaus bereits vor einem Jahr eine gemeinsame Erklärung an das EU-Parlament, in der sie sich für eine Neuverhandlung des Abkommens einsetzt. Wichtige Fragen wie die des Datenschutzes und des Interessenausgleichs zwischen Rechteinhabern und Nutzern seien nicht zufriedenstellend geklärt. Ohne eine Zustimmung des EU-Parlaments kann ACTA nicht in geltendes Recht überführt werden.