Grandseigneur der Popmusik, Womanizer mit tiefer Stimme: Leonard Cohen ist noch da - und das mit einem altersgemäßen, weisen Album.

Hamburg. "I've got no future, I know my days are few", singt Leonard Cohen in dem Song "Darkness". Was ist los mit dem Grandseigneur der literarischen Popmusik, mit dem Womanizer, der mit seiner tiefen Stimme jede Frau um den kleinen Finger wickeln konnte? Muss der 77 Jahre alte Kanadier nun doch dem Alter Tribut zollen? Als er vor drei Jahren aus finanziellen Gründen, wie man hörte, eine Comeback-Tour startete, schien er zwar nicht einem Jungbrunnen entstiegen zu sein, unter seinem grauen Hut wirkte er aber immerhin charmant, weise und noch sehr attraktiv. Auf "Old Ideas", seinem ersten Studioalbum nach acht Jahren, klingt Cohen jedoch resigniert. So, als wären all seine flüchtigen Affären und großen Liebesbeziehungen ein langer Leidensweg gewesen, auf dem er viel Schuld auf seine Schultern geladen hätte. Oder kokettiert er nur mit seinem Image?

Im Eröffnungssong "Going Home" spaltet sich Cohen in zwei Persönlichkeiten, wenn er singt: "I love to speak with Leonard, he's a sportsman and a shepherd, he's a lazy bastard living in a suit." Der Dichter als fauler Hund? Wohl kaum das Bild, das Cohen von sich zeichnen würde. Doch Dichter und Privatperson müssen nicht zwangsläufig miteinander verschmelzen, wobei Cohen, der Künstler und Lebemann, sicher aus einem reichen Schatz an Erfahrungen schöpfen kann, die wiederum in seine Texte einfließen. Auf "Old Ideas" jedenfalls wird die Liebe, in Cohens Songs als Motiv und Subjekt immer wiederkehrend, nicht gerade mit Glück gleichgesetzt.

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"Show me the place where you want your slave to go", singt er in "Show Me The Place": Weise mir den Platz zu, wo dein Sklave hingehen soll. Liebe als Unterwerfung und Cohen in der Rolle des Sklaven. Das klingt nicht nach jemandem, dem die Frauen zu Füßen liegen. Liebe wird mit Leiden gleichgesetzt und diese Erkenntnis drückt er auch in anderen Songs wie "Darkness", "Anyhow" oder "Different Sides" aus. "Kannst du mich ein bisschen weniger hassen?", fragt er in "Anyhow", aber eigentlich ist diese Frage mehr ein Flehen. Von Liebe und Leidenschaft ist nichts mehr übrig geblieben, der Abscheu der Geliebten ist aus jeder Zeile herauszulesen.

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Auch wenn die Lyrik von "Old Ideas" nicht gerade erbaulich ist, hört man dieser tiefen, immer grummeliger gewordenen Stimme gern zu. "Old Ideas" hat beinahe etwas Privates, der Künstler lässt uns genauso an seinem Elend teilhaben, wie das die Bluessänger taten, ohne dass er deren Form benutzen würde. Die meisten Songs sind recht sparsam instrumentiert, eine Orgel oder ein Harmonium, Geige und Klavier, ein wenig Perkussion reichen aus. Und Backgroundsängerinnen hat Cohen auch ins Studio geholt, ihr heller Gesang kontrastiert mit seinem Bass.

Viele, die so gefeiert wurden wie er, sind inzwischen tot oder verschwunden

Auf "Crazy To Love You" dilettiert Cohen auf einer akustischen Gitarre und erinnert damit an "Suzanne", jenes Lied, das ihn Ende der 60er-Jahre bekannt machte und ihn im Strom der Hippies mitschwimmen ließ - obwohl er einen künstlerisch-literarischen Hintergrund besaß, der über den "Love & Peace"-Gedanken weit hinausging. Aber unversehens fand der Poet Cohen sich damals auf den Bühnen der großen Rock-Festivals wieder. Viele, die vor vier Jahrzehnten genauso gefeiert wurden wie er, sind tot oder in der Versenkung verschwunden. Leonard Cohen ist immer noch da, und das mit einem altersgemäßen weisen Album. Nach einer neuen Liebe scheint der 77-Jährige nicht mehr zu suchen, aber viele Menschen werden dieses Album lieben.

Leonard Cohen: "Old Ideas" (Columbia/Sony Music)