Mit dem Mini-Album “Für Anfänger“ feiern Die Sterne 20. Jubiläum. Wie die Hamburger Band auf Deutsch dichtet, war und ist stilbildend.

Hamburg. Typisch Die Sterne. Da setzt die Band seit 20 Jahren Maßstäbe in Sachen klugem Groove. Und wie nennen sie das Mini-Album, das sie sich am heutigen Freitag selbst zum Jubiläum schenken? "Für Anfänger."

Zwar produzieren die Hamburger einen Sound, der sich stets jenseits abgewetzter Routine bewegt, wie zuletzt mit ihrer Disco-Platte "24/7", sodass tatsächlich jedem Song des Anfangs Zauber innewohnt. Doch nein, absolute Beginner sind Die Sterne nie gewesen. Vielmehr war die Combo um Frontmann Frank Spilker häufig schon ein paar Schritte und Takte voraus, wenn andere erst Richtung Startlinie zockelten, um mal über ein Thema nachzudenken. Gerade im Rückblick zeigt sich die Weitsicht der Sterne.

Lange bevor Kinder aus dem Speckgürtel in die Schanze reisten, um Revoluzzer zu spielen, wehrten sich Die Sterne 1992 dagegen, mit geliehenen Slogans die eigene Identität aufzupolieren: "Keine Parolen / keine blöden wie die: Fickt das System." Jahre bevor Worte wie Prekariat, Unterschichten-Fernsehen, Geringverdiener und Hartz IV zum It-Accessoire jeder pseudointellektuellen Diskussion avancierten, schuf die Band 1994 mit "Universal Tellerwäscher" eine Hymne für die kleinen Rädchen der Dienstleistungsgesellschaft. Und noch vor der großen Abwanderungswelle Richtung Hauptstadt sang Spilker 1999 mit "Big in Berlin" eine lässige Ode auf Deutschlands einzige Metropole - um dann doch einfach an der Elbe wohnen zu bleiben.

Allein diese drei Hits zwischen Hip-Hop und Rock verdichten und hinterfragen die Lage des Landes besser als so manches populärwissenschaftliche Buch auf der "Spiegel"-Bestsellerliste. Da ist es nur konsequent, dass Die Sterne unter anderem diese Nummern für ihr aktuelles Mini-Album neu eingespielt haben. Und so sollte der Titel "Für Anfänger" letztlich als Auftrag für all jene verstanden werden, die sich (noch) nicht mit dem Werk dieser stilbildenden Hamburger Band befasst haben. Die insgesamt sieben Nummern sind eine kleine Einführung in das neun Platten umfassende Oeuvre und deren Referenzkosmos.

Auf das musikalische und geistige Netzwerk rund um Die Sterne, die als Quartett starteten und nun mit Thomas Wenzel am Bass und Christoph Leich am Schlagzeug als Trio agieren, verweist vor allem die Nummer "Ich halte es nicht aus", die von der Band Die Regierung stammt. Deren Kopf Tilman Rossmy veröffentlichte ebenso wie Die Sterne auf dem einstigen Hamburger Label L'Age D'Or, das gemeinhin mit der verallgemeinernden Stilzuschreibung Hamburger Schule assoziiert wird.

An Eigenkompositionen sticht auf "Für Anfänger" vor allem die Neueinspielung von "Inseln" hervor, das erstmals auf dem 1996er-Album "Posen" zu hören war. Eine Stück Pop über die Glückssuche in unserer Konsumkultur, das in seiner luftigen Leichtigkeit das Herz flirren lässt. "Nur fürchtet sich der Witz vor der Pointe / was mach ich nur / wenn wieder keiner lacht", fragt Spilker in "Inseln" in markant schlappem Sprechgesang. Amüsante und interessante Gedanken in lässige Musik zu betten war immer schon eine große Qualität der Gruppe. Kein Wunder also, dass sie auf "Für Anfänger" ausgerechnet die Hamburger Soulkapelle Superpunk covern, die diese Verquickung ebenfalls bestens beherrscht.

Das Diskursive besitzt bei den Sternen stets Tanzbarkeit und Sexyness, ohne dabei in Hochglanzklischees des Pop abzugleiten. Im Gegenteil. Der Duktus von Sänger und Gitarrist Spilker birgt ebenso wie das Äußere der Band stets etwas angenehm Ramponiertes, Beiläufiges. Wenn auch nicht unbedingt gewollt, so ebnete das unangestrengte Dichten auf Deutsch doch den Weg für jene Popartisten, die heute hoch profitabel muttersprachlich singen. Die Sterne wiederum, da zeigt sich der reflexive Kontext mit Weggefährten wie Blumfeld und Tocotronic, konterkarieren die eigene Kunst frühzeitig, indem sie die Platte "Posen" mit dem Titel "Scheiß auf deutsche Texte" eröffnen.

Wie relevant Die Sterne weiterhin sind, zeigt sich auch im Detail. So ist "Was hat dich bloß so ruiniert" derzeit in Christian Ulmens Schulkomödie "Jonas" zu hören. In dem Song stellt Spilker die Frage: "Was hat dich irritiert?" Antwort: Die Sterne. Zum Glück.

Die Sterne "Für Anfänger " (Materie Records); live (mit Niels Frevert): 2.2., 19.00, Uebel & Gefährlich