Julia Stoschek zeigt ihre Medienkunst-Sammlung in den Hamburger Deichtorhallen - und erzählt, wie Kunst ihr die Richtung weist.

Hamburg. "Danach wusste ich: Das ist meine Welt, das möchte ich auch machen. Damit hat alles begonnen." Mit diesem "Danach" ist ein Besuch in der Harburger Sammlung von Harald Falckenberg gemeint. Julia Stoscheks Kunst-Erweckungserlebnis im Jahre 2002 hatte Folgen; Folgen, die sie einige Millionen gekostet haben dürften. Und schon wären wir mittendrin in dem Thema, das für sie konsequent keines ist und deswegen schnell abgehakt werden kann: ihr Kontostand.

Stoscheks Urgroßvater, der Coburger Max Brose, gründete 1908 eine Firma für den Handel mit Fahrzeugteilen. Aus der pfiffigen Idee erwuchs eine milliardenschwere Dynastie. Stoschek ist Brose-Gesellschafterin und sah bis zu jenem Harburg-Besuch so aus, wie Boulevard-Blätter ihre Millionenerbinnen am liebsten haben: bildschön und das BWL-Studium mehr oder weniger pro forma im Lebenslauf. Porsches, Partys, Prominenz. Der Besuch in Harburg änderte das. Stoschek entdeckte ihre Leidenschaft für Medienkunst und stellte ihr Shopping-Verhalten radikal um. Auf die erstaunte Frage, warum ausgerechnet Videos und Artverwandtes, hatte sie eine profane Antwort parat. "Ich bin Jahrgang 1975. Ich bin mit MTV aufgewachsen."

Inzwischen kann sie eine feinstbestückte Sammlung mit rund 400 Werken vorweisen, sie ist in der internationalen Kunstszene bestens bekannt. Aber eben nicht mehr als die junge Schwarzhaarige aus Düsseldorf mit viel mehr Geld als Ahnung, sondern als ernst zu nehmende Sammlerin, die genau weiß, was sie will. Die zwar mit dem Fotokünstler Andreas Gursky liiert ist - aber was, bitte, hat das mit ihrer Berufung und Kunst-Obsession zu tun? Die es zu Recht nervt, wenn ihre Begeisterung fürs Sammeln immer noch als elitärer Zeitvertreib abgetan wird. Und die ein erstaunlich gutes Gespür dafür hat, was gut und wichtig ist. Wer knapp jenseits der 30 und ohne Kunstgeschichtsstudium ins "Trustee Commitee on Media and Performance Art" des New Yorker MoMA berufen wird, könnte sich darauf durchaus etwas einbilden.

Tut sie aber nicht. Sie fühlt sich geehrt. Überhaupt ist bei der Begegnung mit Stoschek von nervenden Erbinnen-Attitüden weit und breit nichts zu sehen. Sie ist in Hamburg, um mit einer Mischung aus Stolz, Scheu und Aufregung die Vorarbeiten für die Ausstellung zu beaufsichtigen, bei der große Teile ihrer Sammlung zum ersten Mal in einem öffentlichen Museum zu erleben sind: 2000 Quadratmeter mit Werken von mehr als 50 Künstlern, Video-Installationen, Skulpturen, Fotografien. Harter Stoff ist darunter. Alex McQuilkins Video "Fucked" hat mit seiner verstörenden Detailperspektive genau den richtigen Titel; Chris Burdens "Shoot" zielt auf den Künstler selbst. Für manches andere reicht die gesamte Ausstellungszeit nicht: Paul Pfeiffers "Empire" dokumentiert 2400 Stunden lang den Bau eines Wespennests.

Bislang waren Einblicke in diese Kollektion nur begrenzt möglich. In Düsseldorf-Oberkassel. Wenn sie nicht gerade irgendwo auf der Welt Künstler trifft, Ausstellungen besucht oder anderweitig ihren Horizont erweitert, wohnt Stoscheck dort mitsamt ihrer Sammlung seit 2007 in einer Fabrik Baujahr 1907. Jeweils sonnabends sind nach Anmeldung Besuche in den Ausstellungsetagen möglich.

Dass man von der Verpackung nicht vorschnell auf den Inhalt schließen sollte, wird klar, als die Sprache auf Stoscheks kulturpolitisches Armdrücken mit der Düsseldorfer Kommunalpolitik kommt. Die wollte nämlich ihren Sammlungssitz, den sie vier Jahre lang unter den strengen Augen des Denkmalschutzes detailliert aufgefrischt hatte, hemmungslos mit blickverstellenden Büro-Neubauten umzingeln.

Noch ist das letzte Wort in diesem Streit unausgesprochen, doch so einfach, wie sich die Stadtväter das dachten, will Stoschek jedenfalls nicht klein beigeben. Warum auch.

Eine wie sie muss keine Kompromisse machen. Erst recht keine, die auf einen Gewinn schielen, der nicht mit Erkenntniszuwachs zu tun hat. "Ich sammle nicht aus monetären Gesichtspunkten, um Kunstwerke fünf Jahre zu halten und dann wieder zu veräußern", betont sie. "Für mich ist es wichtig, Ernsthaftigkeit und Langfristigkeit zu demonstrieren."

Ausstellung : "I Want To See How You See: Julia Stoschek Collection". Ab 16.4., bis 25.7.; www.deichtorhallen.de