Der Schwede steht für Qualität, auf die sich alle einigen können. Die Marke Mankell aber droht so zu verwässern.

Mit Henning Mankell kann man nichts falsch machen. Glaubt der Buchmarkt, glaubt das Fernsehen, glaubt die Tourismusbranche, die längst Reisen ins südschwedische Örtchen Ystad anbietet, auf den Spuren von Kurt Wallander, dem wohl berühmtesten Kommissar unserer Zeit. Auch in Kinokreisen setzte man im vergangenen Jahr auf die Popularität des Bestsellerautors, dessen Werke sich weltweit mehr als 30 Millionen Mal verkauft haben, und berief ihn in die Wettbewerbs-Jury der Berlinale. Der Name Mankell steht für Unterhaltung mit Anspruch, für leicht konsumierbare Wissensvermittlung, kurz: für Qualität, die niemanden ausschließt, auf die sich alle irgendwie einigen können.

Kein Wunder, dass die Nachfrage entsprechend groß ist. Davon mag eine Weile vom Autor bis zum Konsument die gesamte Verwertungskette profitieren, irgendwann aber ist der Punkt der Übersättigung erreicht. Die Marke droht zu verwässern. Meist geht dies einher mit einem deutlichen Qualitätsabfall, gut zu beobachten an diesen Ostertagen, an denen die ARD drei Erstausstrahlungen auf den Bildschirm bringt, die den Absender wie ein monströses Schutzschild vor sich her tragen: Sehr her, es ist ein Mankell.

Auf einem Roman des Autors von 2005 beruht der Zweiteiler "Kennedys Hirn", die Wallander-Krimis "Rache" (So, 21.45 Uhr) und "Die Schuld" (Mo, 21.45 Uhr) auf "eigens für das Fernsehen geschriebenen Geschichten von Henning Mankell". Ein Euphemismus für: Mehr Zeit war nicht.

Der Unterschied zwischen den Produktionen könnte denn auch größer nicht sein: "Kennedys Hirn" ist vielschichtig, spannend und kompromisslos in seiner Erzählhaltung, die beiden 90-Minüter konventionelle Fließbandware, wie man sie zu Dutzenden schon gesehen hat. Dass sie allesamt eindeutig als Mankell-Filme identifizierbar sind, zeigt, wie dehnbar mittlerweile die Etikettierung geworden ist. Typisch Mankell - das sind lediglich noch moralische Weltanschauungen verpackt in Schweden-Düsternis. Gut gegen Böse, und der schwedische Sozialstaat ist auch nicht mehr das, was er einmal war.

Auch Kurt Wallander hat, den beiden neuen TV-Krimis nach zu urteilen, die den Auftakt zu einer 13(!)-teiligen Staffel machen, eine Wandlung durchgemacht, die nicht unbedingt zu seinem Besten ist. Faszinierte er einst mit seiner hilflosen Einsamkeit und seinem müden, antiheldenhaften Weltekel, die nie nur Attitüde waren, sondern sich immer aus der facettenreichen Figur heraus erklärten, ist er hier zum 08/15-Kommissar mutiert: ein bisschen einsamer Wolf, ein bisschen überarbeitet, ein bisschen depressive Grundstimmung über die Zustände unserer Gesellschaft.

Dieser Kurt Wallander, gespielt von Krister Henriksson, kaut Kaugummi (lässig), trägt eine "Dress to Grill"-Schürze (ironisch) und schäkert mit den Kollegen (gesellig) - sein Vorgänger, der großartige, hünenhaft-verwitterte Rolf Lassgard, den Henning Mankell einst "den einzig möglichen Wallander" genannt hat, war da überzeugender.

In "Rache" jedenfalls muss ein Sprengstoffanschlag auf ein Elektrizitätswerk aufgeklärt werden, die Presse spekuliert über eine islamistische Terrorwelle, und weil das Ganze ein bisschen verwirrend ist, erklärt ein Radiomoderator dem Zuschauer fortwährend, was gerade passiert ist. Eindringlicher, weil konkreter, kommt "Die Schuld" daher, in dem Wallander der Tod eines Jungen beschäftigt, der möglicherweise Opfer eines Pädophilen wurde. Hat man zwar schon in vielen "Tatorten" gesehen, diese Geschichte samt ihrer "Du sollst nicht vorverurteilen"-Botschaft, aber sie ist solide spannend erzählt. Mehr nicht.

Sehenswert ist einzig "Kennedys Hirn" (Regie: Urs Egger), den das Erste am Sonnabend ausstrahlt - was einerseits dem Feiertagsbonus geschuldet, auf der anderen Seite ein deutliches Bekenntnis der Programmmacher ist. Mit Iris Berben in der Hauptrolle, Heino Ferch und Schweden-Star Michael Nyquist (Millennium-Trilogie) in prägnanten Nebenrollen, hat man auch bei der Besetzung geklotzt. Der atmosphärisch dichte Fall spielt zwischen Stockholm, Kapstadt und Maputo, es geht um kriminelle Machenschaften mit HIV-Viren.

Ende April erscheint in Deutschland übrigens der zehnte und letzte Wallander-Roman. Hoffentlich konzentriert sich Henning Mankell künftig nicht darauf, Drehbuchideen fürs Fernsehen zu liefern. Damit wäre niemandem geholfen, am wenigsten der Qualität.

Krimi: Kennedys Hirn. Sa, 20.15 Uhr ARD