Mit Werken von Alma del Banco, Anita Rée oder Walther Tanck beteiligt sich die Hamburger Kunsthalle an dem großen 20er-Jahre-Festival.

Hamburg. Die beiden Frauenfiguren scheinen einen seltsamen Tanz aufzuführen. Die Flächen werfen kantige Farbschatten, wirken fast grafisch. Das Werk "Zwei stehende Frauenakte", das Dorothea Maetzel-Johannsen 1920 malte, ist ein gutes Beispiel für den Expressionismus, der sich nach dem Ersten Weltkrieg, in den Jahren zwischen Weimarer Republik und nationalsozialistischer Herrschaft, auch in Hamburg ausprägte. Eine junge Künstlergeneration versuchte, den Schrecken der Kriegserfahrung zu verarbeiten - und fand gleichzeitig zu einer neuen kreativen Aufbruchslust.

Das Werk ist Glanzstück einer Schau, mit der sich die Hamburger Kunsthalle am genreübergreifenden Festival "Kulturfrühling Himmel auf Zeit - die 20er-Jahre in Hamburg" beteiligt. Rund 80 Veranstaltungen aus den Bereichen Kunst, Theater, Literatur und Musik spiegeln bis Ende Juni die Kultur der vermeintlich goldenen 20er-Jahre wider. Die Ausstellung vermittelt anschaulich, dass diese Jahre vor allem solche des Umbruchs waren, des Entsetzens über die Unerbittlichkeit des Krieges und der wirtschaftlichen Krise. Der Name "Himmel auf Zeit" ist dem letzten der legendären Hamburger Künstlerfeste im Curio-Haus an der Schwelle zur Nazi-Diktatur entlehnt.

Die Kuratoren Ulrich Luckhardt und Friederike Weimar bilden in der Ausstellung die großen Zeitströmungen in der Hamburger Kunstszene ab. Maler wie Friedrich Ahlers-Hestermann, Alma del Banco und die heute nahezu in Vergessenheit geratenen Fritz Friedrichs und Walther Tanck ließen sich bei Besuchen des französischen Nachbarlandes von der "kultivierten Ausgeglichenheit" Cézannes, Renoirs, Matisses oder der Kubisten inspirieren. Eifrig sogen sie die Ausdrucksformen der dortigen Avantgarde auf. So lässt Friedrich Ahlers-Hestermanns Werk "Stillleben mit Katze und Blumen" (1931) in den klaren Konturen des Tieres eindeutige Spuren von Matisse erkennen. Zumeist beherrschten Landschaften die Motivwahl. Walther Tanck etwa übernahm die Technik der kleinen Striche von Cézanne. Die Erlebnisse von Tod und Kälte, die er an der Ostfront als Dragoner in Polen und Russland zu verarbeiten hatte, prägten ihn tief und fanden Ausdruck in Bildern einsamer Reiter in schneebedeckter Landschaft.

Bei den Hamburger Künstlern ließ sich außerdem ein enger Bezug zur Dresdner Künstlergruppe "Brücke" um Ernst Ludwig Kirchner beobachten. Dorothea Metzel Johannsen und ihr Mann Emil Maetzel griffen sowohl die ausdrucksstarke Farbsprache der "Brücke"-Künstler auf und orientierten sich wie diese am Primitivismus, an Kunstwerken aus Afrika und Ozeanien. Stärker einem grafischen Expressionismus verpflichtet waren die Holzschnitte, die Künstler wie Heinrich Stegemann entwickelten.

Auch in Hamburg bildete sich eine Spielart der großstädtisch geprägten "Neuen Sachlichkeit" heraus. Künstlerinnen wie Anita Rée luden ihre Arbeiten magisch auf. Schrieben Irritationen wie leere Blicke in Gesichter ohne Ausdruck hinein, die sich für den Betrachter nicht auflösten und die Wirklichkeit verfremdeten.

Ab der zweiten Hälfte der 20er-Jahre wandten sich Maler und Bildhauer wie Eduard Bargheer, Karl Kluth, Rolf Nesch oder Willi Nass zunehmend der Abstraktion zu. Mehrere konkurrierende Bildebenen, Materialien und Techniken griffen ineinander. Ihre Komposition war entscheidend.

Wie in den großen Kunstmetropolen suchten auch die Hamburger Expressionisten nach einem gemeinsamen Dach. 1919 schlossen sich 33 von ihnen, darunter Heinrich Steinhagen und Friedrich Ahlers-Hestermann zur "Hamburgischen Sezession" zusammen. Sie verweigerten sich 1933 der von den Nationalsozialisten angeordneten "Gleichschaltung". Die Zwangsschließung ihrer letzten Ausstellung 1933 konnten sie nicht verhindern. Ihre Werke setzen einen eindringlichen Schlusspunkt unter eine Schau, die von einer wechselvollen historischen Epoche erzählt.

Himmel auf Zeit vom 28.3. bis 27.6., Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall, Di-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr; www.hamburger-kunsthalle.de ; Alle Infos unter www.himmelaufzeit.de