Ein Autor des Magazins “Neon“ hat einige seiner Interviews mit Popstars gefälscht. Erinnerungen an den Fall Tom Kummer werden wach.

Hamburg. "Krass", lautet der erste Kommentar unter der Entschuldigungsmeldung in eigener Sache auf der Internetseite von "Neon", einem Lieblingsblatt vieler Leser aus der Um-die-dreißig-und-voll-im-Trend-Generation. Die erste Reaktion darauf kam sieben Minuten später. Sie stammt von Timm Klotzeck, einem der beiden Chefredakteure und bestand lediglich aus zwei Buchstaben: "Ja."

So einsilbig liest sich Schreckstarre.

Der Grund: Ingo Mocek, bis Dienstag noch Pauschalist des Magazins, das im Hamburger Verlag Gruner + Jahr erscheint, hat bei mehreren Interviews ignoriert, dass sie Fakten abbilden und nicht Fiktion sein sollen.

",Neon' distanziert sich vom Inhalt der Interviews und hat die Zusammenarbeit mit Ingo Mocek mit sofortiger Wirkung beendet", so die Erklärung auf der Homepage, "die Vorgänge sind in keiner Weise vereinbar mit den journalistischen und ethischen Maßstäben, nach denen die ,Neon'-Redaktion arbeitet."

Der Schwindel flog auf, als sich das Management der Pop-Diva Beyoncé Knowles wegen eines Interviews in der Januar-Ausgabe nachhakte (das am 12. Januar auch im Züricher "Tages-Anzeiger" unter der Überschrift "Die Beschimpfungen haben mir sehr zugesetzt" veröffentlicht wurde).

Michael Ebert, der andere "Neon"-Chefredakteur, schilderte den Beginn der Spurensuche so: An jenem Tag, an dem das Gespräch am Rande einer Preisverleihung geführt worden sein soll, habe es keine Interviews gegeben. Ein deutschsprachiger Mitarbeiter des Beyoncé-Managements, der den ganzen Tag vor Ort war, hätte das mitbekommen müssen. Hat er aber nicht. Was den Stein ins Rollen brachte.

Bei einem sofort anberaumten Gespräch mit Mocek habe der Journalist, so Ebert, ziemlich schnell zugegeben, was passiert war und was eben nicht. Die unter den rigiden "Stern"-Maßstäben arbeitende Dokumentation, der man Reise- und Rechercheunterlagen, Interview-Mitschnitte oder Abschriften zur Überprüfung vorlegen können muss, trifft nach Eberts Meinung keine Schuld. "Die Dokumentarin wurde vorsätzlich getäuscht, ebenso die deutsche Abteilung der Plattenfirma, die bis Anfang der Woche fest davon ausging, dass das Interview stattgefunden hat."

Interne Recherchen ergaben, dass auch Gespräche in der Rubrik "Soundtrack meines Lebens" mit Ex-Guns-N-Roses-Gitarrist Slash vor sechs und der Sängerin Christina Aguilera vor vier Jahren sowie Kurzinterviews mit dem Rapper Snoop Doggy Dog und Beyoncés Ehemann Jay-Z von Mocek getürkt worden waren.

Obwohl ausgedachte Gespräche mit Popstars bei Weitem nicht das Ausmaß von gefälschten Hitler-Tagebüchern haben, die dem großen Schwesterblatt "Stern" nach deren Entzauberung 1983 auf Jahre das Image lädierten - das Kind ist im Brunnen, denn es geht natürlich ums journalistische Prinzip.

Sofort werden auch Erinnerungen an Aufstieg und Fall des selbsternannten Borderline-Journalisten Tom Kummer auf, der insbesondere dem Magazin der "Süddeutschen Zeitung" etliche unglaublich überraschungspralle Interviews und Porträts von Hollywood-Stars lieferte. Bis zum Erwischtwerden im Jahre 2000 klangen viele wirklich zu gut, um noch wahr zu sein. Geglaubt, gedruckt und bezahlt wurden sie trotzdem. "Fakten sind langweilig", hatte der Schweizer 2007 in einem "taz"-Interview zu seiner Autobiografie "Blow Up" gesagt: "Dieses Hecheln nach der Story, das Klauen, die Konkurrenz - das fand ich total uncool."

Nun ist man bei "Neon" bemüht, den Schaden möglichst offensiv einzugrenzen. Der virtuellen Buße im Internet soll eine gedruckte im nächsten Heft folgen. Zu der Frage nach juristischen Konsequenzen für Mocek oder der Höhe seiner Honorare wollte sich die "Neon"-Chefredaktion nicht äußern. "Der Umgang mit der Sache zeigt, dass wir nichts zu verbergen haben", so Ebert. "Es wäre total falsch, jetzt einen Generalverdacht auf die gesamte Redaktion zu übertragen."