Für die Fernsehschaffenden ist es ein Skandal, ein Drama, das immer noch um die einst mächtige Fernsehspiel-Chefin des NDR, Doris Heinze, kreist, die Drehbuch-Schwindel betrieben hat. Die Aufträge an Freunde und Familie vergeben hat. Und an sich selbst.

Für die Fernsehzuschauer dürfte es allerdings ein ziemlich guter Abend werden, wenn heute "Die Freundin der Tochter" ausgestrahlt wird. Das Drehbuch hat zwar nicht - wie bisher angenommen - eine unbekannte Autorin namens Marie Funder geschrieben, sondern die kürzlich entlassene Doris J. Heinze. Sie hatte es unter dem Pseudonym Marie Funder beim Norddeutschen Rundfunk eingereicht, das volle Autorenhonorar eingestrichen und als verantwortliche Redakteurin den Film gleich realisiert.

Aber was Regisseur Josh Broecker aus der Dreiecksgeschichte und den überaus präzise und eindringlich spielenden Schauspielern Edgar Selge, Katrin Sass und Esther Zimmerling herausgeholt hat, ist dann doch mehr als der gewöhnliche Midlife-Krisen-Kitsch. Es ist die Geschichte einer eher unkonventionell auf ihren untreuen Mann reagierenden Frau, in der die wunderbar differenziert spielende Katrin Sass allein in ihrem Gesicht alle Gefühle zwischen Angst und Siegeswillen, Enttäuschung, Härte und Zuneigung sichtbar macht. Auch Edgar Selge als ihr Ehemann findet unglaublich viele Varianten Glück, Zaghaftigkeit, Anstrengung, Verspannung und Schuldgefühle, um zu zeigen, welchen Anstrengungen die Organisation solch eines Doppellebens fordert.

Es geht um ein Ehepaar in den besten Jahren, beide Mitte 50. Die einzige, erwachsen gewordene Tochter ist gerade ausgezogen. Aus unzähligen Filmen, Fernsehspielen und Büchern weiß man, dass nun die große Krise beginnt. Aber Hannah und Paul, die fast 25 Jahre miteinander verheiratet sind, gehen immer noch recht liebevoll miteinander um. Doch außer dem gemeinsamen Frühstück verbringen die beiden kaum Zeit miteinander. Paul kommt immer sehr spät nach Hause. Und dann ist er müde. Also verdächtigt Hannah ihren Mann, fremdzugehen. Als sich die Vorahnung bestätigt, ist alles noch viel schlimmer: Er betrügt sie nicht nur mit einer Jüngeren, sondern mit der besten Freundin ihrer Tochter.

"Die Freundin der Tochter" beschreibt eine klassische Dreiecksbeziehung, verschärft durch den Kontrast von Alt und Jung. Hannah ist zwar geschockt, doch sie handelt sehr überlegt. Sie spielt viel Cello. Und in den Cello-Stunden erklärt der Lehrer, wie man mit so einem Instrument umgehen muss. Das ist symbolisch ein bisschen dick aufgetragen. Aber für Hannah, die sich mit der jüngeren Konkurrentin (Esther Zimmering) anfreundet, ergeben sich daraus Verhaltensregeln. Sie wird nicht hysterisch, bleibt ruhig. Oft sieht man sie einsam. Oder mit der Tochter (Susanne Bormann). Ganz fehlt auch bei ihr die klassische Verhaltensstrategie der Betrogenen nicht, die ihre Frisur und ihren Typ verändern will, weil sie sich fragt, was ihr Mann bei einer anderen sucht. Doch Hannah beobachtet Paul und versucht ihn sanft im Netz seiner eigenen Lügen zu fangen. Eine sehenswerte Psychostudie.