Der von Justus Frantz gegründete Förderverein “Philharmonie der Nationen“ versinkt im Chaos. Es geht um Geld und Macht.

Osnabrück. Dienstag, 22.25 Uhr. "Das ist das Beste, was uns passieren konnte, wir sind den grausigen Spuk los", spricht Justus Frantz in eine TV-Kamera. Seine Gegner sind vor gut einer Stunde gegangen. Eine Geisterdebatte ist vorbei. Augenzeugen nennen die letzten vier Stunden "unwürdig". Für diesen Moment bleibt festzuhalten: Die "Philharmonie der Nationen", 1995 von Frantz gegründet, soll ab jetzt zwei neue Förderverein-Chefs haben. Den Kieler Steuerberater Dieter Weiland, weitgehend unbekannt, und Carl Hermann Schleifer, seit Jahrzehnten bestens vernetzt in Politik und Wirtschaft rund um die Kieler Förde.

Was, bitte, ist hier passiert? Zwei Vorsitzende des Fördervereins eines unbedeutenden Orchesters wurden abgewählt. Ein Nachfolger ist einer der Vorgänger des Duos; der andere gilt als Weggefährte ihres Kontrahenten. So etwas kann in jedem Kaninchenzüchterverein passieren, ohne dass es irgendwen interessiert.

Hier läuft der Hase anders.

An diesem quälend langen Abend konnte man viel über Haltung lernen, über Aufstieg und Fall. Über den verheerenden Schaden, den Mittelmaß und Größenwahn anrichten können. In einer der Hauptrollen ist ein Künstler, der einst mit Leonard Bernstein auftrat. Nun kommt er mit einer Entourage aus Beratern und Bewunderern in die leere Stadthalle von Osnabrück gerauscht, um zur konspirativen Kleingruppe zusammenzuglucken. Richard von Weizsäcker hatte das von Frantz ins Leben gerufene Schleswig-Holstein Musik Festival als "musikalischen Flächenbrand" bezeichnet. Jetzt fallen einem nur flackernde, kleine Lichter ein.

Justus Frantz passt die Richtung nicht, die der amtierende Vorstand des Fördervereins genommen hat. Er hat deshalb die Zusammenarbeit mit ihm aufgekündigt und will offenbar einen neuen Vorstand. Außerdem mischen sich private Dinge auf beiden Seiten - Darlehen, Schulden, andere Vorwürfe - mit der Vereinsarbeit, die eigentlich der Unterstützung der Musiker dienen sollte. Anwälte und Staatsanwälte sind schon in den Streit eingeschaltet.

Die Menschen, die Frantz hier begrüßen und trotz seiner 65 Jahre mit Justus - "der Gerechte" - anreden, sind oft älter. Adrett, Goldknöpfe an den Sakkos, die Handytöne klingeln Opern-Arien nach. Sie sind verstört. Wütend. Auf beiden Seiten der Front.

Worum es geht? Um Macht, um viel Geld und dessen angeblichen Missbrauch, um Egos, die meisten davon gekränkt, um echte und vielleicht aufpolierte Heiligenscheine. Wieder einmal liegt Frantz im Clinch mit einstigen Weggefährten. Wieder einmal dreht sich alles um Schulden und Intrigen, um die große Frage nach Schuld und Sühne. Das war schon bei Frantz' tumultartigem SHMF-Abgang 1994 so. Später gab es aktenkundige Kräche um Sozialabgaben für Musiker, um diverse Darlehen und Versprechen, um Grundstücke auf Gran Canaria und Wolkenkuckucksheime. Jetzt geht es auch um den steuerlich wie moralisch entscheidenden Unterschied zwischen Gemein- und Eigennutz. Jetzt ist es ganz anders als früher, aber sehr ähnlich. Das kann Zufall sein.

Auf beiden Seiten der Front liegen die Nerven blank. Wer recht hat und wer nur so tut, lässt sich von außen nicht beurteilen. Von innen aber auch nicht immer. Noch-Vorsitzender Michael Urban holt vor Sitzungsbeginn telefonische Rechtsberatung ein, es geht darum, ob Menschen mit Vollmachten abstimmen dürfen. Ob sie auch abstimmen dürfen, wenn sie mit Firmenvollmachten kommen. Ob andere überhaupt schon Mitglieder sind. Frantz hat auch einen Anwalt aus Berlin dabei, Büroadresse am Kurfürstendamm und Professorentitel auf der Visitenkarte. Ein Vereinsrechtsexperte. Er möchte Frantz bei der Versammlung beraten, darf das aber nicht und empört sich entsprechend professionell.

Mit gut einer Stunde Verspätung schließen sich die Saaltüren. Wer nicht auf der Liste ist, darf nicht rein. Für die Berichterstatter draußen ist das ziemlich egal, da ausreichend laut getobt wird. Nach gut zehn Minuten Protokoll-Kleinkrieg wird das erste Mal der Abbruch gefordert. 30 Minuten später kommt der Noch-Vorsitzende Detlef Kröger vor die Tür, berichtet, er sei bei der Vorstellung seiner Erkenntnisse niedergebrüllt und attackiert worden. Um 21.05 Uhr beenden Kröger und Urban entnervt die Versammlung und gehen. Die Gegenfraktion bleibt und lässt sich von Frantz & Co. die Seelen massieren. Es kommt zum Schwur; Schleifer - laut Kröger seit einem Tag Mitglied des Fördervereins - und Weiland werden von dem gewählt, was Frantz' Anwalt als Restvorstandstagung bezeichnet, bevor er die Journalisten aus dem Saal schiebt.

Knapp zwölf Stunden später, in Krögers Firma in Bissendorf, stellen sich Kröger und Urban als "nach wie vor aktuelle Vorsitzende" vor, nachdem die Frantz-Fraktion bereits ihren Sieg gemeldet hatte. Die beiden drohen juristische Schritte an, berichten von laufenden Tätigkeiten der Ermittlungsbehörden und nennen ihre Abwahl eine "Farce". Von viel Harmonie ist man hier Welten entfernt, und ebenso von der Auflösung der vielen Rätsel, die gar nicht gut riechen.