Der Gründer und ehemalige Chef des Schleswig-Holstein Musik Festivals ist wegen finanzieller Probleme in der Kritik.

Hamburg. Der Mann polarisiert. Wo Justus Frantz auftaucht, gibt es selten nur eine Meinung: Ist er genialer als Impresario und Festival-Erfinder oder als Dirigent und Pianist? Ist er als Musiker überhaupt genial oder eher ein Überflieger und Show-Mensch? Kann er mit Geld nur deswegen nicht umgehen, weil er ein genialer Kreativer ist - oder steckt anderes hinter den ständigen Querelen um Darlehen und Rechnungen?

Seit Jahren reißen die nämlich nicht ab, obwohl Justus Frantz doch mit 65 auf einen Höhenflug ohnegleichen zurückblicken könnte. Es war ein Aufstieg mit Musik: Das Flüchtlingskind aus Schlesien (Jahrgang 1944) studiert an der Hamburger Musikhochschule Klavier. Der Junge mit der blonden Mähne wird 1967 Preisträger beim ARD-Musikwettbewerb. Karajan engagiert ihn, Leonard Bernstein holt ihn 1975 für sechs gefeierte Konzerte zu den New Yorker Philharmonikern.

Da ist Frantz auf der Überholspur angekommen. Er macht von sich reden mit überraschenden PR-Coups - 1981 zum Beispiel die Aufnahme des Mozart-Konzerts für drei Klaviere mit Christoph Eschenbach - und Bundeskanzler Helmut Schmidt als drittem Mann. Auch Schmidt gehört zum Freundeskreis von Frantz.

Amerika, China, Japan, Russland - das Terminkarussell dreht sich immer schneller. Und einer wie Frantz zögert nie, aus seinen Talenten mehr zu machen. Er dirigiert - und sucht neue Felder für seine Musikbegeisterung und seinen Geschäftssinn. 1972 hat er sich eine große Finca auf Gran Canaria gekauft. In großen Charme-Offensiven weckt er dort bei Besuchern Begeisterung, die Portemonnaies öffnet. Ab 1983 redet er über ein neuartiges Musikfest auf dem Land, ein hochkarätiges Festival für Schleswig-Holstein. Er gewinnt bald dessen Ministerpräsidenten Uwe Barschel dafür. 1986 wird das erste Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) zum großen Erfolg. Mit dafür sorgen seine Freunde - allen voran Leonard Bernstein. Ein schnell wachsender Kreis von Sponsoren und Förderern unterstützt den jungenhaften, Porsche fahrenden Intendanten und himmelt ihn an.

Frantz träumt vom Salzburg hinterm Deich. Und kann tatsächlich mit großen Namen aufwarten: Neben Bernstein kommen Weltstars wie Claudio Abbado, Sergiu Celibidache, Georg Solti, Swjatoslaw Richter, Mstislaw Rostropowitsch. Das Festival profitiert von den Kontakten und der Umtriebigkeit seines Chefs, der profitiert vom neuen Festival-Ruhm.

Er sammelt Ehren (das Bundesverdienstkreuz, den Deutschen Marketing-Preis), Würden (1986 Professor an der Hamburger Musikhochschule) und Ämter (1988 Chef der Klangkörper beim Bayerischen Rundfunk), gründet 1989 ein Mecklenburg Musikfestival. Moderiert beim ZDF "Achtung! Klassik". Frantzdampf in allen Gassen, wird anerkennend gelästert.

Vielleicht hätte er sich irgendwann entscheiden müssen: als genialer Impresario in die deutsche Musikgeschichte einzugehen oder Künstler zu bleiben. Frantz will beides: Macht und Mittelpunkt sein - und zugleich Künstler. Auch wenn dessen Format unter der Rundum-Belastung des unermüdlichen Organisators längst leidet.

"Neid ist die deutsche Form der Anerkennung", sagt er, wenn sich Kritiker rühren. Weil das SHMF aus den Fugen zu geraten droht mit zu vielen Konzerten. Weil Finanzministerin Heide Simonis einen Ausflug des Intendanten zum Geburtstag von Bernstein (10 000 Mark auf Festivalkosten) rügt. Weil der Intendant Frantz dem Pianisten Frantz reichlich Konzerte genehmigt, die anständig honoriert werden. Weil seine Studenten in Hamburg bemängeln, dass er zu wenig unterrichtet. Weil er mahnende Worte nicht ernst nimmt. Er sei unerreichbar selbst für kritische Sympathie, sagen auch Freunde.

Frantz hört beim Bayerischen Rundfunk auf. Die Professur ruht. Das Mecklenburg Festival und Justus Frantz trennen sich nach einem erfolgreichen Jahr.

Auch in Schleswig-Holstein ziehen dunkle Wolken auf. Das Finanzgebaren des Festivals gerät in die Kritik, 1994 wirft Frantz das Handtuch. Da steht das Festival mit 3,75 Millionen Mark Schulden da.

Sein nächstes großes Projekt nach dem SHMF wird die "Philharmonie der Nationen", von ihm 1995 gegründet und mit einem großen Förderkreis beglückt. Junge Musiker aus vielen Ländern spielen gemeinsam, touren durch die Welt. Justus Frantz spielt für Johannes Paul II. wie früher schon für Gorbatschow.

Bis zu seinem Brief vom 18. August, mit dem er der Philharmonie der Nationen Verwaltungs gGmbH und dem Intendanten des Orchesters die Zusammenarbeit aufkündigt. Zufall oder nicht: Der Vorstand des Fördervereins des Orchesters hatte nach Abendblatt-Informationen Wirtschaftsprüfer beauftragt, frühere Abrechnungen und Belege zu untersuchen. Ein vorläufiges Gutachten soll bereits vorliegen. Es wird zunächst Justus Frantz vorgelegt, damit der sich dazu äußern kann.

Schon im Juli forderte der Zweite Vorsitzende des Fördervereins, Michael Urban, von Frantz 880 000 Euro zurück. Er verweist auf eine notariell beglaubigte Schuldanerkenntnis, die dem Abendblatt vorliegt. Er wollte Frantz deswegen schon einmal pfänden lassen.

Bereits vor drei Jahren wurde der Maestro auf Rückzahlung eines 2,9-Millionen-Euro-Darlehens verklagt. Der Hamburger Anwalt Peter Holtappels hatte die Millionen-Forderungen der Reederwitwe Jutta Harmstorf übernommen, die Frantz das Darlehen gewährt hatte. Damals gab es einen Vergleich, in dem Frantz 900 000 Euro erlassen wurden.

Aber Justus Frantz wäre nicht Justus Frantz, wenn er keine ganz andere Deutung seines Kündigungsbriefes hätte: "In Wahrheit plane ich einen Neuanfang mit der Philharmonie", sagte er der "Bild"-Zeitung. Er fordere den Rücktritt der beiden Vorsitzenden des Fördervereins der Philharmonie der Nationen, Detlef Kröger und Michael Urban. Musiker, Förderer und Sponsoren hätten die Zusammenarbeit mit den beiden eingestellt.

Das Orchester absolviere seinen nächsten Auftritt mit Frantz schon beim Internationalen Dubrovnik Festival am 25. August. Das wiederum, sagte Kröger, könne nicht sein, weil Frantz ja gekündigt habe. Es sei aber denkbar, dass es so laufe. Er selbst sei seit seiner Amtsübernahme damit beschäftigt, Ordnung in die chaotische Rechnungslegung des Orchesters zu bringen. Und er sei durchaus zu einem Rücktritt bereit, um das Orchesterprojekt zu retten. Justus Frantz will Kröger und Urban bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung Anfang September abwählen lassen.

Rücktritt, Abtritt, Auftritt - Justus Frantz ist immer für eine Überraschung gut.