Die Tiere können sehr aggressiv reagieren. Liberale wollen Bestände dezimiert sehen, um Menschen zu schützen. Jäger widersprechen.

Hamburg. Jetzt will die Wandsbeker FDP den Wildschweinen mit Beweisfotos ans Leder. An der Volksdorfer Rittmeisterkoppel und am Volksdorfer Friedhof haben die Borstentiere ein Stück Wiese umgepflügt, auf der Suche nach Engerlingen, Mäusen und Würmern. "Die im Bild festgehaltenen typischen Schäden dokumentieren, dass die bis zu 150 Kilogramm schweren Allesfresser eben doch in den menschlichen Siedlungsraum vorstoßen", sagte FDP-Fraktionschef Klaus Fischer.

Noch im September hatten SPD und GAL in der Bezirksversammlung abgewinkt. Eine intensive Bejagung der Schweine sei unnötig, weil von der behaupteten "Wildschweinplage" nichts zu sehen sei. Jetzt aber, so FDP-Mann Fischer, sei anhand der liberalen Bilder für jedermann ersichtlich, dass er abends am Stadtrand durchaus einer Rotte Schweine über den Weg laufen könne. "Und das ist nicht lustig." Fischer erneuerte seine Forderung nach intensiver Bejagung. "Wie lange will die Stadt noch tatenlos zusehen?"

Wenn die Tiere verängstigt werden, können sie sehr aggressiv reagieren. In den Außenbezirken Berlins haben sie sich bereits festgesetzt. Laut "Berliner Morgenpost" leben bis zu 4000 Wildschweine in der Hauptstadt, zweimal hätten verletzte Tiere Menschen angegriffen. Die FDP warnt vor einer ähnlichen Entwicklung in Hamburg. Die Wildschweinpopulation hat laut Schleswig-Holsteinischem Jagd- und Artenschutzbericht stark zugenommen. 1980 waren noch weniger als 2000 der kräftigen und schnellen Schweine unterwegs, 2010 waren es mehr als 16 000.

Ursachen sind der für Biogasanlagen vermehrt angebaute Mais und das Fehlen natürlicher Feinde. Im August dieses Jahres hatte eine Rotte Wildschweine bei Aumühle den Regionalexpress beschädigt. Im Mai hatten drei mutmaßlich aus Schleswig-Holstein stammende Keiler Alte Rabenstraße und Johnsallee durcheilt und waren in die City vorgestoßen. Auf der Flucht hatten sie einen Radler umgerannt und verletzt. Zwei Schweine konnten gestellt werden, ein drittes sprang bei der HafenCity in die Elbe.

Für den zuständigen Jägermeister Klaus-Peter Schöttler kein Grund für einen Alarm: "Die Wildschweinpopulation ist nicht zu hoch. Es gibt nur vereinzelte Überläufer." Sie kämen in nicht nennenswerter Zahl aus der Gegend um den Bredenbeker Teich oder dem Stellmoorer Tunneltal bei Ahrensburg. "Wenn Schwarzwild da ist, schützt sich jeder Jagdpächter", sagte Schöttler. Er muss nämlich für die Schäden aufkommen, die das Wild anrichtet. In Hamburg müsse die Stadt zahlen, da sie kaum Jagden verpachtet, sondern sie meist selbst ausübt. Die Stadt habe also kein Motiv, die Schweine zu schonen.

"Wir üben immer Druck aus", sagte Schöttler, "in den Nächten kurz vor und bei Vollmond sind alle Hochsitze besetzt." Doch die nachtaktiven Tiere sind intelligent. Ist es zu hell, bleiben sie in der Deckung der Maisfelder oder im Gehölz. Und ist es zu dunkel, hat der Jäger keine Chance. Es bleiben nur die wenigen Tage um den Vollmond für die Jagd, und der nächtliche Himmel darf dann nicht wolkenlos sein. "Meist sitzt man umsonst an", sagt Schöttler. Selbst regelmäßiges Anfüttern der Tiere mit Leckereien auf Waldlichtungen in Reichweite von Hochsitzen biete keine Gewähr für Abschüsse. Die Wege der Tiere seien unberechenbar.

Für viele Waldhüter aber ist der Mensch das Problem: "Die Politik schafft ideale Bedingungen für Wildschweine", sagt ein Försterei-Mitarbeiter, der nicht genannt werden will. "Der geförderte Maisanbau macht schon fast 40 Prozent aus. Die Felder bieten den Tieren Deckung und Nahrung, der Klimawandel mehr Baumfrüchte."