Jeder baut, wann er will. Grabungen nehmen die Kundenparkplätze und schränken die Anfahrmöglichkeiten für die Geschäfte stark ein.

Hamburg. Staub, Dreck, überall Absperrungen und kaum ein Durchkommen vor den kleinen Läden im Meiendorfer Ortskern an der B 75. Der neue Aldi-Markt an der Meiendorfer Straße 98 wächst, die Straßenverbreiterung mit neuer Linksabbiegerspur kommt im Frühjahr, jetzt laufen die Erschließungs- und Leitungsarbeiten und frustrieren viele Ladenbesitzer.

Beim Bäcker Larbig liegen die Nerven blank, der Umsatz bricht weg. "Seit Juli buddelt jeder sein Löchlein hier!", schimpft Frau Schröder, eine Mitarbeiterin. Die Grabungen nehmen die Kundenparkplätze und schränken die Anfahrmöglichkeiten für die Geschäfte stark ein. "Zweimal war die Straße schon offen. Und bald kommt der Nächste und fängt wieder an." Zwischenzeitlich bleiben die Absperrungen stehen, obwohl gar nicht gearbeitet wird. Telefonleitungen liegen schon, Wasserleitungen werden bis Ende August fertig, dann kommt der Strom.

Auf 30 bis 40 Prozent beziffert die Bäckerei Larbig die Umsatzeinbußen. Das Blumenhaus Bröse macht sonntags schon gar nicht mehr auf. Der Tabak- und Schreibwarenladen Shabani gibt minus 20 Prozent an, Friseurmeister Rüdiger Plage das Gleiche: "Ich habe noch Glück, weil ich in erster Linie von Stammkunden lebe und hinter meinem Haus noch drei Parkplätze habe." Vor dem Bäckerladen ringt Frau Schröder mit einem Lieferwagenfahrer erbittert um ihren letzten Kundenparkplatz. "Wir sind froh, dass wenigstens die Bauarbeiter noch kommen", sagt sie.

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Das alte, zum Teil denkmalgeschützte Kröger-Hofgebäude, in dem einst der "Fleischmarkt für alle" die Meiendorfer Grillgemeinde versorgte, wird entkernt und saniert, der eigentliche Aldi-Markt mit 730 Quadratmeter Verkaufs- und 110 Quadratmeter Lagerfläche rückwärtig an das Hofgebäude gesetzt. Im November will Aldi eröffnen, die Erschließungsarbeiten entlang der Straße sollen im September fertig werden. Aber im nächsten Frühjahr geht es wieder von vorn los.

Dann wird die neue Linksabbiegerspur für Aldi gebaut, die Straße etwas verbreitert und einer "grundhaften Erneuerung" unterzogen. Ein halbes Jahr veranschlagt der Landesbetrieb für Straßen, Brücken und Gewässer dafür. Kostenpunkt: eine Million Euro. 220 000 Euro davon trägt der Discounter. Während der Straßenbauarbeiten soll die B 75 durchweg zweispurig befahrbar bleiben. An drei Wochenenden wird es eine Vollsperrung geben. Radfahrer sollen während der vollen sechs Monate umgeleitet werden.

"Das halte ich nicht durch. Dann werde ich wohl schließen müssen", sagt Andreas Dede, dem der Blumenladen gehört. Ihn rettet nur sein zweiter Laden am Öjendorfer Friedhof. Eine Interessengemeinschaft der Geschäftsleute gibt es nicht an der B 75, keinen Sprecher der Geschäftsleute. Jeder kämpft für sich allein. Wenn er denn muss.

Im Hotel Meiendorfer Park regiert die Gelassenheit des Pächters Jürgen Struck. "Straße und Fußweg waren nur Flickwerk. Irgendwann musste da ja mal was gemacht werden." In seinen 18 Zimmern wohnen meist Monteure, die erst abends kommen. Sie essen große Schnitzel mit Wurzelgemüse, wenn die Bauarbeiten längst ruhen. Morgens sind sie früh wieder weg.

Anti-Stimmung allerdings lässt keiner aufkommen. Friseurmeister Plage: "Wir finden Aldi gut hier, bereichernd. Fuß- und Fahrradwege werden gemacht wie nebenan bei Netto, das sieht alles gut aus und bringt Laufkundschaft. Aber die Handhabung ist katastrophal."

Jeff Marengwa von der Geschäftsführung des Landesbetriebes Straßen, Brücken und Gewässer bedauert. "Die Koordinierung ist ein echtes Problem. Aber gerade an dieser Baustelle läuft es doch gut. Wir haben extra ein Büro dafür beauftragt, denn zunächst sah es so aus, als könnte die Erschließung erst nach Erneuerung der Straße starten. Jetzt wird nur die alte Straße aufgerissen." Es sei gelungen, die Leitungsarbeiten aller drei Versorger in einem vergleichsweise kleinen Zeitfenster zu bündeln. "Wir sehen das als Erfolg."

Die Anwohner aber möchten statt des derzeitigen Nacheinanders ein entschiedenes Zugleich der Leitungsarbeiten sehen. "Unmöglich", sagt Marengwa. "Da graben nur Privatunternehmen. Konkurrenten." Es sei Sache der Unternehmen, sich abzusprechen. Eine gemeinsame Ausschreibung der Tiefbauarbeiten mit allen drei Versorgern als Auftraggeber, wäre das denkbar? Telekom-Sprecherin Stefanie Halle nennt die Frage "zu allgemein" und "nicht beantwortbar". Verantwortlich sei im Übrigen das Koordinierungsbüro des Landesbetriebes. Anders als die Telekom konnten Hamburg Wasser und Vattenfall antworten und beschieden negativ. Vattenfall-Sprecher Stefan Kleimeier: "Wir würden Flexibilität einbüßen und uns hohen Koordinierungsaufwand einhandeln, wenn die Arbeiten aus einer Hand abliefen. Außerdem liegen die Leitungen weder unmittelbar nebeneinander noch in der gleichen Tiefe. Würden alle zugleich erneuert, müssten die Absperrungen wesentlich weiträumiger werden." Ähnlich äußerte sich Hamburg Wasser.

Nach der Erneuerung der Straße wird es statt der früheren Parkplätze quer zur Fahrbahn im Herbst 2013 nur noch elf "regelgerechte" Längsparkplätze geben. Aldi schafft 75 Stellplätze. Der Tabak- und Schreibwarenladen Shabani wird abgerissen, er zieht um ins renovierte Hofgebäude, das noch nicht voll vermietet ist. Das Aldi-Grundstück wird parallel zur B 75 zum Dassauweg hin mit einer 3,50 Meter hohen Lärmschutzwand und Pflanzen abgeschirmt, um das Wohngebiet vor Liefer- und Parkverkehr zu schützen. Dem neuen muss der alte Aldi am Spitzbergenweg weichen: Er ist zu klein und nur 300 Meter vom neuen Standort entfernt. Mittelfristig soll die B 75 noch bis zum Spitzbergenweg erneuert werden.