Die 63-jährige Ria Jünke bastelt in einem sechs Quadratmeter großen Pavillon in Wellingsbüttel Miniaturen und Puppenhäuser.

Wellingsbüttel. Ria Jünke hat eine Vorliebe für Überraschungseier. Dabei geht es der 63-Jährigen nicht um die Schokolade, sondern um das Spielzeug in der gelben Kapsel. "Daraus kann ich verschiedene Dinge machen", sagt die Duvenstedterin. Denn Ria Jünke hat ein Hobby, das ihr einen besonderen Blick auf Material aller Art verschafft: Sie bastelt Puppenhäuser.

Als Ria Jünke vor 18 Jahren nach Hamburg zog, "entpuppte" sich für die gebürtige Französin eine zufälligen Begegnung als Wegweiser zu einer neuen Freizeitbeschäftigung: In Wellingsbüttel lernte die gelernte Laborantin eine Puppenstubensammlerin kennen. Jünke kaufte sich ihr erstes Puppenhaus und bestellte Fachzeitschriften mit Bastelanleitungen. Schnell entstanden ihre ersten eigenen Puppenstuben.

Vor allem begeisterte sich Ria Jünke für die kleinen Feinheiten, mit denen sie die Häuser dekoriert. Lampen, Instrumente, Bücher, Obst, Torten, Taschen oder Topflappen - es gibt nichts, das Jünke nicht im Miniaturformat herstellt. "Alles, was es in groß gibt, gibt es auch in klein", sagt sie. 1:12 lautet in der Regel ihr Maßstab.

Um die Beschaffung des Materials muss sich mitunter auch Ehemann Wilfried kümmern. Als Ria Jünke sich auf einer Reise in einen ganz bestimmten Kronkorken verguckt hatte, wollte sie sich mit einem Exemplar nicht abfinden. Mindestens fünf mussten es sein - die fünf Biere durfte daraufhin ihr Mann leeren. "Ich lasse mich gerne für ihre Zwecke einspannen. Vor allem für die handwerklichen Dinge", sagt Wilfried Jünke. Als er an Silvester kurz vor Mitternacht Raketen in den Duvenstedter Himmel schoss, konnte sich seine Frau nur schwer auf das Feuerwerk konzentrieren. In Gedanken beschäftigte sich Ria Jünke bereits mit den Holzstilen und den Schutzkappen der Raketen. "Daraus kann ich Trinkbehälter für meine Tiere machen oder Vasen für die Puppen-Wohnzimmer", sagt sie.

+++ Miniatur: Viele Hände für ein kleines Wunderland +++

Weit mehr als 1000 Einzelteile für ihre Puppenhäuser hat Ria Jünke in den vergangenen Jahren gebastelt. Die meisten davon sind aber nicht mehr in ihrem Besitz. Denn Jünke sammelt nicht nur Puppenstuben, sie verkauft sie auch. Einmal in der Woche öffnet sie den wohl kleinsten Laden Hamburgs. In Rias Ministübchen, einem sechs Quadratmeter großen Pavillon am Wellingsbütteler Weg, können Puppenfreunde jeden Mittwoch ab 15 Uhr die erstaunlichen Miniaturen betrachten. Seit vier Jahren betreibt Jünke ihr Geschäft in dem kleinen Altbau aus dem Jahr 1910. Schon lange hatte sie den Pavillon im Auge. Als der Raum eines Tages leer stand, schlug sie zu. "Ich habe einen Laden", sagte Ria Jünke zu ihrem Mann. "Du bist doch verrückt", entgegnete dieser ungläubig. Doch der Laden entwickelte sich im Stadtteil zu einer wahren Attraktion. Obwohl sie nur noch an einem Wochentag für wenige Stunden geöffnet hat, kommen auch sonst Kunden vorbei. "Das erkenne ich an den Fingerabdrücken an den Scheiben", sagt Ria Jünke.

Großes Geld macht die gebürtige Französin mit ihrer Leidenschaft nicht. Das liegt vor allem an den kleinen Preisen. Für einen selbst gebastelten Hamburger Stadtplan zum Falten in der Größe von ein mal zwei Zentimetern nimmt Jünke zwei Euro. "Der Ertrag ist gerade so hoch, dass ich die Miete für den Laden bezahlen kann. Aber das ist nicht wichtig. Ich mache das aus reiner Freude", erzählt sie.

In der Hamburger Puppenszene hat sich Ria Jünke bereits einen Namen gemacht. Und viele Freunde. Auf der Börse in Billstedt trifft sich die Puppengemeinde regelmäßig. Einmal im Jahr fährt sie zusammen zu Europas größter Puppenmesse ins niederländische Arnheim. Der Rest des Jahres ist Alltag. Dann sitzt Ria Jünke meist in ihrem Zimmer in Duvenstedt und bastelt an den Miniaturen und den Puppenstuben. Zwei Stunden am Tag verbringt sie in ihrer Privatwerkstatt. "Sonst schaffe ich das nicht", so Jünke. Denn Aufträge gebe es genug. Vor allem Hochzeitsutensilien oder Gesellschaftsspiele wie "Mensch ärgere dich nicht" im Miniformat seien gefragt.

"Ich war schon immer kreativ", erzählt Ria Jünke. Als Kind habe sie übrigens "nie mit Puppen gespielt", sagt die Wahl-Hamburgerin. Das gelte auch für ihre beiden mittlerweile erwachsenen Kinder. "Als mein Sohn und meine Tochter klein waren, gab es nur eine Modelleisenbahn."