Hamburg. Bewegerinnen in Hamburg: Bianca und Britta Buhck fördern rund um Bergedorf Umweltprojekte und Migranten – und das seit 25 Jahren.

Jetzt heißt es: warm anziehen! Schnell in die Gummistiefel und den Schal nicht vergessen. Die gesamte Klasse der Nettelnburger Grundschule verlässt den geheizten Raum, um eine Stunde lang draußen zu lernen. Anstatt auf die Tafel, in die Hefte und Arbeitsblätter zu schauen, weitet sich an der frischen Luft sommers wie winters ihr Horizont: Was fliegt denn da? Was steckt im Matsch? Und warum sind die roten Früchte an diesem Strauch giftig?

Draußenschule: Umweltpädagogen machen mit

Die Frischluftkur an der offenen Ganztagsschule in Nettelnburg ist kein einmaliges Abenteuer, um mehr Abwechslung in den Regelunterricht zu bringen, sondern pädagogisches Konzept. Die sogenannte Draußenschule ermöglicht es den Jungen und Mädchen, einmal pro Schulwoche die Klassenzimmer zu verlassen und gemeinsam regionale Natur- und Kulturräume aufzusuchen. Eine Umweltpädagogin begleitet die Grundschüler auf dieser Tour.

Das Konzept Draußenschule an der Grundschule Nettelnburg wird evaluiert.
Das Konzept Draußenschule an der Grundschule Nettelnburg wird evaluiert. © Julian Willuhn | Julian Willuhn

Die Buhck-Gruppe ist ins Rowohlt-Haus gezogen

Dass es in Hamburg, im Kreis Stormarn und Herzogtum-Lauenburg solche Draußenschulen gibt, ist einer Stiftung zu verdanken, die sich der regionalen Umweltbildung und der Integration von Migranten verschrieben hat. Es ist die Buhck-Stiftung aus Bergedorf. Sie hat, wie die Buhck-Gruppe, ihren Sitz im früheren Gebäude des renommierten Rowohlt-Verlages in Reinbek. Von der Buhck-Gruppe erhält die Stiftung jährlich eine großzügige Spende.

Mit strahlenden Gesichtern erzählen Bianca und Britta Buhck von der erfolgreichen Arbeit ihrer Stiftung, die im Sommer 25 Jahre alt wird. Sie will Kindern und Jugendlichen Denkanstöße für den Klimaschutz und den verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt geben sowie jungen Menschen mit Migrationsgeschichte die Integration in die Gesellschaft erleichtern.

Buhck-Stiftung: Auch eine Geschichte der Liebe

„Wir sind Anstifter und Ideengeber“. Die beiden Vorstände berichten von vielen weiteren Aktivitäten, die vom Stipendiatenprogramm für Studierende der Umwelttechnik und Umweltwissenschaft bis zu den Jobpaten reichen. Es dauert nicht lange, da kommen die beiden Frauen, die sich seit ihrem Studium der Betriebswirtschaft kennen, auf Carsten Buhck zu sprechen.

Bevor das Unternehmen in das Rowohlt-Gebäude zog, gab es eine Baustellenbesichtigung mit Thomas Buhck und Architekt Matthias Weber.
Bevor das Unternehmen in das Rowohlt-Gebäude zog, gab es eine Baustellenbesichtigung mit Thomas Buhck und Architekt Matthias Weber. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Carsten Buhck gründete 1999 diese Umweltstiftung

Der erfolgreiche und weithin geschätzte Bergedorfer Unternehmer, 2013 im Alter von 79 Jahren verstorben, gründete 1999 die nach ihm benannte Stiftung. Und wie es die Lebenswege mit Überraschungen und Zufälligkeiten so wollten, war Carsten Buhck ihr gemeinsamer Schwiegervater. Die Freundinnen heirateten die Söhne Henner und Thomas Buhck, die heute zusammen die Buhck Gruppe in vierter Generation leiten – einen der größten Umweltdienstleister in Norddeutschland mit 1200 Mitarbeitenden. Das familiengeführte Unternehmen ist in den Geschäftsfeldern Abfallverwertung, Rohr- und Kanalservice sowie Beratungsdienstleistungen aktiv.

Buhck-Stiftung: Vorstand lernte von der Pike auf

Die beiden Frauen hatten zuvor während ihres Studiums fünf Jahre lange in einer WG in Altona gewohnt und vor ihrem Wechsel in den Stiftungsvorstand für verschiedene Arbeitgeber gearbeitet. Ihr Schwiegervater war es dann auch, der sie im Jahr 2009 zu Vorständen ernannte, um die Geschicke „seines Babys“, wie er sagte, in jüngere Hände zu legen. „So mussten wir die Stiftungsarbeit von der Pike auf lernen“, sagt Bianca Buhck. Denn Stiftungen zu führen, gehöre nicht zum Grundwissen für BWLer. „Besonders dankbar waren und sind wir über den Austausch mit anderen Stiftungen. Sie haben uns kompetent mit ihrem Know-how unterstützt“, ergänzt Britta Buhck.

Buhck-Stiftung: 200 Projekte im vergangenen Jahr

Behutsam entwickelten die Vorstandsfrauen die Stiftung weiter und feierten im Jahr 2020 einen Rekord: Zum ersten Mal wurden mehr als 100 Projekte in einem Jahr auf den Weg gebracht. Rund 5000 Kinder und Jugendliche konnten gefördert werden. Das Jahr 2023 brachte einen weiteren Rekord: „Wir durften mit einem Betrag von 500.000 Euro rund 200 Projekte unterstützen und auf ihrem Weg begleiten“, sagen Bianca und Britta Buhck. Mehr als 10.000 Kinder und Jugendliche konnten dank der erneut großzügigen finanziellen Unterstützung der Buhck Gruppe und vieler weiterer Spender die Projektangebote in den Themenbereichen „Integration von jungen Menschen mit Migrationsgeschichte“ sowie „Umweltbildung und Naturschutz“ nutzen.

Erste Draußenschule startete in Bargfeld-Stegen

Wie in den Draußenschulen. Was 2008 mit der ersten Schule dieser Art in Norddeutschland in der Grundschule Bargfeld-Stegen (Kreis Stormarn) begann, findet seitdem großen Anklang bei den Schülern. „Ich habe gelernt, wie ich das Alter von Bäumen bestimmen kann“, sagt etwa Schülerin Anjeza aus Geesthacht. Andere sind glücklich darüber, den Wald zu erkunden und Teichwasser zu untersuchen. „Man lernt etwas, ohne zu merken, dass man lernt“, erklärt Bianca Buhck. Deswegen fördere die Stiftung das schulpädagogische Konzept mit etwa 4000 Euro pro Grundschulklasse. Nach Stiftungsangaben wurden bislang 30.000 Schüler aus 1200 Klassen erreicht. Die ersten Ergebnisse einer wissenschaftlichen Evaluation ergaben, dass der interdisziplinäre Unterricht nicht nur akademisches Lernen, sondern auch soziale Kompetenzen fördert. Lehrer berichten darüber, dass Schüler, die im herkömmlichen Unterricht eher passiv sind, bei den Draußenstunden plötzlich interessiert mitarbeiteten.

Job-Paten: So helfen Mentoren in den Schulen

Der andere Zweig der Stiftung fördert die Integration von Flüchtlingen. Beim Projekt „Job-Paten“ beraten ehrenamtliche Mentorinnen und Mentoren, wie Jugendliche einen Ausbildungs- oder Studienplatz finden können. Viele junge Menschen, sagt Bianca Buhck, seien unsicher, welchen Weg sie künftig einschlagen sollten. „Die Vorstellungen reichen von Jura bis Kosmetik.“ Mit dem Projekt „Menteevation“ unterstützt die Stiftung den Einsatz von Mentoren, die als Flüchtlinge nach Deutschland kamen und „es geschafft haben“. Als erfolgreiche Absolventen einer Universität oder Fachhochschule berichten sie aus erster Hand, wie sie Krisen gemeistert und Integrationsängste überwunden haben. „Die Kraft dieses positiven Vorbildes macht den Jugendlichen Mut, mit einem Ziel vor den Augen ihren Weg weiterzugehen“, sagt Britta Buhck.

Bergedorf: Migranten wollen schnell integriert werden

Aber auch pensionierte Lehrer, Schülerinnnen und Schüler sowie weitere Ehrenamtliche engagieren sich – wie etwa in der Stadtteilschule Bergedorf – im Mentorenprogramm. Insgesamt 25 Mentoren kümmern sich hier um rund 30 Mentees, die unter anderem aus Syrien und Afghanistan stammen. Wegen des großen Interesses bei den Schülern gibt es sogar eine Warteliste – so groß ist der Wunsch nach rascher Integration.

Regelmäßig gehen in der Buhck-Stiftung Förderanträge ein. Bei kleinen Projekten dauert es keine drei Wochen, bis eine Entscheidung gefällt wird. Bei größeren Vorhaben muss das Kuratorium entscheiden.

Weil Bianca und Britta Buhck in der Hamburger Stiftungslandschaft gut vernetzt sind, helfen sie den abgelehnten Antragsstellern mit Hinweisen weiter, wo sie mit ihren Vorstellungen besser aufgehoben sein könnten.

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Weil es in Hamburg im bundesweiten Vergleich die meisten Stiftungen gibt, ist bestimmt für jeden und jede etwas bei. Mit der Anerkennung der 1500. Stiftung Ende vergangenen Jahres konnte Hamburg die Position als Stiftungshauptstadt festigen. Nach Angaben der Justizbehörde gibt es in keinem anderen Bundesland so viele Stiftungen pro Einwohner wie in Hamburg. Das Gesamtvermögen der Hamburger Stiftungen liegt bei zehn Milliarden Euro.