Abiturienten informieren sich bei Ärzten und Patienten über die Krankheit. Der Anlass war der Tod des Torwarts Robert Enke.

Hamburg. Unglücklich, ausgebrannt und vor scheinbar unüberwindliche Hindernisse gestellt - die Symptome einer Depression hat jeder schon einmal am eigenen Leib erfahren. Zumindest für ein paar Tage. Was aber, wenn die "Depri-Phase" zum Dauerzustand wird? Wenn die Lebenslust verloren geht und man nur noch einen einzigen Ausweg sieht - so wie Nationaltorwart Robert Enke, der sich im vergangenen Jahr mit 32 Jahren das Leben nahm?

Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, haben Abiturienten des Kopernikus-Gymnasiums in Bargteheide jetzt eine Zusammenarbeit mit dem Heinrich-Sengelmann-Krankenhaus gestartet, einer zur Stiftung Alsterdorf gehörenden Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Auf einem ersten Projekttag informierten sie sich bei Ärzten, Therapeuten und Patienten über die Volkskrankheit Depression. Sie lernten Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten kennen und nahmen an Tanz- und Musiktherapiestunden teil. Veranstaltungen wie diese will das Heinrich-Sengelmann-Krankenhaus künftig regelmäßig auch mit anderen Schulen durchführen. "Im Bereich der Prävention wird bisher zu wenig getan", sagt Oberarzt Nikolas Kahlke (42). "Durch die Projekttage möchten wir Jugendliche im Umgang mit der Krankheit sensibilisieren und erreichen, dass das Thema sein Stigma verliert. Außerdem wollen wir den Schülern zeigen, dass Krisen einen im Leben auch weiterbringen können."

Der Wunsch, mehr über Depression wissen zu wollen, entstand bei den Bargteheider Schülern nach dem Suizid von Torhüter Robert Enke im vergangenen Jahr. "Wir haben uns zwar im Unterricht mit Neurobiologie beschäftigt und damit, dass bestimmte Substanzen als Trägerstoffe bestimmte Stimmungen auslösen", sagt Lehrerin Sabine Zacharias (39), "aber viele wichtige Fragen der Schüler blieben offen." Unter anderem, ob Depression genetisch bedingt ist, wie man ihr begegnet oder ob man in bestimmten Lebensphasen besonders gefährdet ist.

Tatsächlich sind gerade junge Menschen besonders häufig betroffen: Laut Weltgesundheits-organisation erkranken in Westeuropa und den USA etwa zehn Prozent der Jugendlichen während der Pubertät an einer Depression. Die schränkt nicht nur ihre Entwicklung und Lebensqualität ein, sondern geht oft einher mit anderen psychischen Störungen wie Bulimie, Hyperaktivität, Schizophrenie oder einer erhöhten Suizidneigung. Im Heinrich-Sengelmann-Krankenhaus gibt es daher eine auf diese Altersgruppe spezialisierte Station. Die Psychotherapeutin Grace Cordeiro (39): "Jugendliche wissen: Nur wer besonders gut, flexibel und leistungsfähig ist, kann sich in der Gesellschaft behaupten. Das erzeugt oft Unsicherheit und Angst." Die Familien, die das früher aufgefangen haben, sind heute durch die hohe Trennungsrate als tragende Struktur weitgehend weggebrochen. Besonders depressionsgefährdet sind Schüler am Ende ihrer Schullaufbahn. "Nach dem Schulabschluss verlassen sie gewohnte Pfade. Sie lösen sich vom Elternhaus, müssen Verantwortung für sich selbst übernehmen und Entscheidungen treffen, die einen großen Einfluss auf ihr weiteres Leben haben", sagt die Psychologin.

Ein wichtiger Punkt des Projekttags war auch die Begegnung der Schüler mit erkrankten und geheilten Patienten, die über ihr Leben mit der Krankheit berichteten. Bei den Jugendlichen hat das einen tiefen Eindruck hinterlassen. "Erstaunlich, wie offen die mit uns über ihre Ängste und manche sogar über Suizidversuche geredet haben", sagt Philipp Zumkarsch (18). "Wir haben gesehen: Eine Depression kann jeden treffen. Und sie hat nichts mit Verrücktsein zu tun." Vielleicht ist es die Offenheit der Patienten, die auch die Jugendlichen ungeschminkt über Depression in ihrem Freundes- und Familienkreis sprechen lässt. Über die Mutter, die seit einem halben Jahr krankgeschrieben ist, über den Bruder, der im Alter von zwölf Jahren depressiv wurde, oder über den Freund, der sich ein halbes Jahr lang aus dem Leben zurückgezogen hat. Im Heinrich-Sengelmann-Krankenhaus, da sind sich die Schüler sicher, haben sie viel gelernt. "Es fällt uns sicher in Zukunft leichter, auf Betroffene zuzugehen, weil wir etwas über Auslöser und Symptome gelernt haben", sagt Berit Thal (18). "Außerdem wissen wir jetzt, dass man aus einer Depression nicht von selber wieder herausfindet, sondern Hilfe in Anspruch nehmen muss."

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