Die Sommerferien für die Hamburger haben begonnen. Doch einige Schüler wollen trotzdem lernen. Noch zehn Tage bis zum Bürgerentscheid.

Reschad Raschidi ist bester Dinge. Erstens hält der 18 Jahre alte Schüler ein 1,9er-Zeugnis in den Händen. Zweitens freut sich der Schülersprecher der Gesamtschule Horn auf die Ferien. Sechs Wochen faulenzen steht allerdings nicht auf seinem Urlaubsplan.

"Ich werde viel trainieren", sagt der Taekwondo-Leistungssportler. Mit dem Hamburger Sportbund geht es zunächst auf Trainingstour gen Schweden, Island und Norwegen. Und dann? "Ich will was für die Schule tun", so der künftige Zwölftklässler. "Ich will meinen Schnitt auf 1,5 verbessern."

Auch Mitschülerin Yonca Yünek hat das Lernen fest eingeplant. "Weil ich aufs Gymnasium wechsele", sagt die 17-Jährige. Klassenkamerad Abdel, 18, geht es lockerer an: Er will sich erst einmal fünf Wochen in Marokko erholen.

Mit der Lust aufs Ferienlernen sind die Schüler Reschad und Yonka vermutlich Ausnahmen. Schätzungsweise 180 000 Schulranzen flogen gestern in die hintersten Ecken der Kinderzimmer. Etwa genauso viele Schüler verabschiedeten sich in die Ferien, und die meisten von ihnen vergessen für sechs lange Wochen schlicht alles, was mit Schule zu tun hat.

"Das haben sie sich verdient", sagt Ronald Hoffmann. "Sie brauchen eine lange Erholungsphase", so der Schulpsychologe. Das gilt vor allem für Schüler, die mit einer Last auf der Seele in die schulfreie Zeit starten - weil das Schuljahr alles andere als gut gelaufen ist, oder gar die Versetzung in die nächste Jahrgangsstufe nur per Nachprüfung nach den Sommerferien zu schaffen ist.

"Für die ist das Abschalten fast noch wichtiger", sagt Hoffmann. Genauso wichtig: Der Trost der Eltern bei schlechten Schulleistungen nach dem Motto: "Du bist nicht zufrieden, wir sind nicht zufrieden, aber das ist nicht das Ende der Welt." Allenfalls die letzten zwei Ferienwochen sollten mit Schul- oder Prüfungsvorbereitungen belegt werden, dann aber systematisch. Eltern sollten Lernstrukturen mit den Kindern gemeinsam entwickeln. Auf jeden Fall müssten die Erwachsenen mit den Kindern klare Vereinbarungen treffen in Punkten wie: "Was ist dein Ziel und wie willst du es erreichen?"

"Wichtig sind dann verbindliche Absprachen für Lernzeiten." Bei Schulproblemen sollten Eltern auf jeden Fall das Gespräch mit den Lehrkräften suchen. Die 18 Jahre alte Schülerin Cigdem ist unzufrieden mit ihrem Zeugnis nach der elften Klasse in der Gesamtschule Horn. Sie hat gestern ihr Ziel für die Ferien und die Zeit danach formuliert: "Ich will in den Ferien Kraft sammeln. Erst in den drei Wochen Familienurlaub in der Türkei und dann zu Hause." Cigdem zieht um und wechselt zum neuen Schuljahr die Schule. "Das ist eine Chance. Die werde ich nutzen, um in der Schule besser zu werden."

Die gute Nachricht für Hamburgs Schüler: Das Thema Sitzenbleiben wird sich bis auf die gymnasiale Oberstufe in den kommenden Jahren nach und nach in den jeweiligen Klassenstufen eins, vier und sieben erledigen. Zwar kann dann das Zeugnis den Satz "Klassenziel nicht erreicht" enthalten, aber statt eine Ehrenrunde zu drehen, trifft der Schüler dann mit Lehrkräften und Eltern Lern- und Fördervereinbarungen, um seine Schulschwächen in den Griff zu kriegen. Ebenfalls passé sind ab dem Schuljahr 2010/2011 überfüllte Schulklassen, Büchergeld und die Haupt- und Realschulen. Sie wandeln sich unabhängig von der Schulreform in Stadtteilschulen. In jedem Fall nehmen 23 Starterschulen den Betrieb auf. Sie werden mit den Elementen der geplanten sechsjährigen Primarschule arbeiten.