Von Beust und Moderator Otto üben Kritik. Die Vorschläge werden als Rückfall hinter den Stand der Gespräche über die Schulreform gewertet.

Hamburg. So hatten sich Handelskammer-Präses Frank Horch und Kammer-Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz die Reaktion nicht vorgestellt: Statt Lob für ihren Kompromissvorschlag im Streit um die Schulreform ernteten die beiden vor allem Kritik.

Besonders muss Horch und Schmidt-Trenz schmerzen, dass der langjährige Kammer-Vizepräses und Unternehmer Michael Otto, der im Schulstreit als Moderator tätig ist, den Vorstoß der Kammer kritisch sieht. "HerrDr. Otto war über das Papier der Handelskammer sehr überrascht", sagte dessen Sprecher Thomas Voigt gestern. Das Abendblatt hatte berichtet, Otto sei empört über den nicht abgesprochenen Vorstoß gewesen. Im Kern geht es darum, dass Horch und Schmidt-Trenz den Vorschlag der Volksinitiative "Wir wollen lernen" aufgegriffen haben: Danach sollen 50 Primarschulen auf freiwilliger Basis eingerichtet werden. Nach einer dreijährigen Erprobung mit wissenschaftlicher Begleitung soll eine unabhängige Kommission entscheiden, ob die Primarschule flächendeckend und verbindlich eingeführt wird.


Nach Informationen des Abendblatts wertet Otto den Kammer-Vorschlag als Rückfall hinter den schon erreichten Verhandlungsstand. Außerdem soll der Unternehmer kritisieren, dass das Kammer-Papier konkrete Festlegungen enthält, während er als Moderator stets nur Kompromisslinien für beide Verhandlungsseiten aufzeige.

Bürgermeister Ole von Beust war ebenfalls höchst verärgert über den Vorstoß. Die Einmischung der Kammer soll er als kontraproduktiv werten. Die Verstimmung ist auch deswegen so groß, weil Kammer-Präses Horch während der zurückliegenden Wochen aus Sicht von Beusts eine konstruktive Rolle gespielt hatte.

Horch und Schmidt-Trenz hatten ihr Papier mit der Überschrift "Hamburger Schulfrieden" am Montagabend an von Beust, Schulsenatorin Christa Goetsch, die beiden Fraktionschefs Frank Schira (CDU) und Jens Kerstan (GAL), Initiativensprecher Walter Scheuerl und Otto verschickt. Dessen Reaktion kam prompt. Zwei Änderungen setzte der Unternehmer durch: Eine Lernstandserhebung der Primarschüler soll auf Drängen Ottos nur "nach Möglichkeit" durchgeführt werden. Hintergrund: Otto hält diesen Punkt für nicht zustimmungsfähig durch den Senat. Außerdem setzte er durch, dass der Zeitpunkt der Entscheidung über die flächendeckende Einführung von 2014 auf 2012 / 2013 vorverlegt wurde. Die nunmehr mit Otto abgestimmte geänderte Version wurde erneut an die Adressaten verschickt - nur wenige Stunden nach der ersten. Auf die Frage, ob Otto das Kammer-Papier denn nun mittrage, sagte Schmidt-Trenz: "Wir sind mit Herrn Otto im Reinen." Ein Ja war das nicht.

Wie berichtet, wird das Papier in der schwarz-grünen Koalition als nicht verhandlungsfähig gewertet. Von "Bärendienst" und "Tritt in die Kniekehle" war die Rede. Offen ist derzeit, welche Auswirkung der Streit über das Kammer-Papier für die Verhandlungen mit der Initiative hat, die morgen fortgesetzt werden.

Auch die Handwerkskammer, die grundsätzlich für längeres gemeinsames Lernen ist, aber auf einen Kompromiss zwischen Koalition und Initiative setzt, übte gestern indirekt Kritik an dem Papier. "Michael Otto hat in seiner schwierigen Funktion als Moderator unsere volle Unterstützung", erklärte Handwerkskammer-Präsident Josef Katzer. Ottos Vorschläge bauten "eine Brücke zwischen vorhandenen Sorgen der Eltern und den Reformen des Senats". Über die Bemühungen der Handelskammer verlor Katzer dagegen kein Wort.