Am Tag nach dem Unfall zwischen einem Bus und einem Feuerwehrfahrzeug herrschte Bestürzung. 50 Zeugen werden nach der Ursache befragt.

Tonndorf. Langsam biegt ein Bus der Linie 9 vom Bahnhof Tonndorf in die Stein-Hardenberg-Straße. Alle Fahrgäste blicken schweigend in dieselbe Richtung - auf die Stelle, an der am Mittwoch um kurz nach 14 Uhr ein Gelenkbus der Linie 9 nach einem Zusammenstoß mit einem sogenannten Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug (HLF) in den Vorgarten eines Einfamilienhauses geschleudert wurde. Zwei Menschen starben, die 62-jährige Jolanta Sch. und der 77 Jahre alte Heinz B. 24 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt, 19 Fahrgäste und die fünf Feuerwehrleute aus dem Löschfahrzeug.

Zwei Kerzen, die auf einer kleinen Mauer an der Unglücksstelle stehen, erinnern einen Tag nach dem schlimmsten Busunfall in der HVV-Geschichte an die Opfer. Der grüne Eisen-Gartenzaun ist zerstört, Absperrungsband der Polizei markiert die Stelle, an der der Bus auf das Grundstück geschoben wurde, nachdem das tonnenschwere Feuerwehrfahrzeug in die Seite des Busses geprallt war. Der Löschwagen war von der nur rund 500 Meter entfernten Feuerwehrwache zu einem Einsatz nach Steilshoop gestartet.

Am Mittwochmorgen bleiben viele Passanten vor dem Haus stehen, um kurz innezuhalten. "Das ist ein schrecklicher Unfall, der einem zeigt, wie schnell das Leben zu Ende sein kann", sagt Monika Schulz. Ihr Schwiegervater, um den sich die Rentnerin jeden Tag kümmert, wohnt in dem Haus direkt neben der Unfallstelle. Gegen Viertel nach zwei am Mittwochnachmittag hatte er bei seiner Schwiegertochter angerufen. "Hier steht ein Bus im Nachbarsgarten und überall ist Blaulicht", hatte er aufgeregt berichtet. "In dem Moment musste ich daran denken, dass vielleicht auch jemand in dem Bus gesessen hat, der mir nahesteht", sagt Monika Schulz. "Es ist tragisch, dass zwei Menschen so plötzlich aus dem Leben gerissen worden sind." Sie hoffe, dass alle Verletzten schnell wieder gesund werden.

Auch Innensenator Michael Neumann (SPD) wandte sich an die Opfer: "Ich bin tief bestürzt über den schrecklichen Unfall." Sein Mitgefühl gelte den Angehörigen der Opfer.

René Reither wäre um ein Haar einer derjenigen gewesen, die in dem Unfallbus mitfuhren. "Ich bin am Mittwochnachmittag mit der Linie 9 Richtung Innenstadt gefahren - ich hätte also auch in dem Bus sitzen können", sagt der 37-Jährige. Daran habe er auch einen Tag nach dem Unfall denken müssen, als er in den Bus eingestiegen sei. "Aber dann verdrängt man diese Gedanken wieder - wahrscheinlich aus Selbstschutz." Er frage sich, wie es überhaupt zu dem Zusammenstoß der Fahrzeuge habe kommen können.

Zur Entstehungsgeschichte des folgenschweren Unfalls gibt es mehrere Theorien: Der Fahrer des Löschfahrzeugs könnte abgelenkt gewesen sein, sich zum Beispiel wegen der Eile des Einsatzes während der Fahrt die Jacke übergezogen oder den Helm aufgesetzt haben. Die Besatzung war erst wenige Hundert Meter unterwegs. Denkbar erscheint, dass der Fahrer des 15-Tonnen-Kolosses die für ihn Grünlicht zeigende Ampel registrierte und deshalb Gas gab, obwohl das Heck des Gelenkbusses noch die Straße blockierte. Eine weitere Möglichkeit: Der Fahrer des HLF plante, rechts am Heck des Busses vorbeizufahren, und berechnete die Geschwindigkeit des Busses falsch, der wegen seiner Länge von 18 Metern nur sehr langsam nach links abbiegen konnte. Oder, und dies ist die dritte Theorie, der Busfahrer musste im Abbiegevorgang abrupt anhalten, sodass der Fahrer des HLF nicht wie geplant am Bus vorbeifahren konnte.

Dass die Kollegen aus Tonndorf überhaupt in das acht Kilometer entfernte Steilshoop aufbrachen, liegt an der Art der Alarmierung: Am Gropiusring, so lautete der Einsatz für die Feuerwehr, sei ein Fahrstuhl im Hochhaus in Brand geraten. Feuerwehrsprecher Manfred Stahl: "Bei vermuteten Feuern in Hochhäusern gibt es eine höhere Alarmstufe, weil die Zahl der zu rettenden Personen im Ernstfall viel höher ist. Deshalb werden routinemäßig neben den Wachen im nächsten Umkreis auch entfernter stationierte Kollegen informiert." Die fünf verletzten Feuerwehrleute sind gestern Abend aus den Kliniken entlassen worden. "Im Bedarfsfall bekommen sie auch andere Formen der Nachsorge, zum Beispiel psychologische oder seelsorgerische Hilfe. Ein solches Erlebnis ist schwer zu verkraften." Das Mitgefühl aller Hamburger Feuerwehrleute gelte den Angehörigen der Verstorbenen, so Stahl.

Um den Unfallhergang zu klären, befragt die Polizei derzeit 50 Zeugen. Zudem werden Luftbilder angefertigt, um den Unfall zu rekonstruieren. "Das Gutachten wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen", sagt Polizeisprecher Holger Vehren.

Unterdessen konnten viele der insgesamt 19 verletzten Buspassagiere die Krankenhäuser wieder verlassen. Der fünfjährige Junge, der mit Schädelverletzungen ins UKE gekommen war, ist über den Berg. In der Asklepios-Klinik Wandsbek mussten allerdings zwei Patienten auf der Intensivstation bleiben, wie Unternehmenssprecher Matthias Eberenz sagt. Von den sieben Patienten, die ins Marienkrankenhaus eingeliefert worden waren, sind inzwischen fünf wieder zu Hause. Sprecherin Petra Perleberg: "Als am Mittwochabend das orangefarbene Telefon, das für die Feuerwehrleitstelle reserviert ist, klingelte, haben wir sofort die Alarmkette in Gang gesetzt. Wir wussten, dass vermutlich mit zahlreichen Verletzten zu rechnen ist." Unter anderen seien Seelsorger und Psychologen alarmiert worden. "Diese haben betroffene Angehörige betreut. Einige von ihnen hatten Schlimmes gesehen."