Die Fahnder sind gezwungen, sich eigene Rechner von zu Hause mitzubringen. Frühestens im Sommer soll Abhilfe geschaffen werden.

Hamburg. Im Sommer 2005 zeigte sich Polizeipräsident Werner Jantosch bei der Vorstellung des Polizeiberichtes für das Vorjahr noch "sehr zufrieden" mit seiner Polizei. Im Laufe seines Vortrags kündigte er an, dass die Bekämpfung der Internetkriminalität intensiviert werden sollte. Wie lange das dauern würde, sagte er allerdings nicht. Seitdem kämpft der Hamburger Landesverband des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) dafür, dass alle Ermittler bei der Kriminalpolizei mit internetfähigen Computern ausgestattet werden. Bislang müssen sich laut BDK 1450 Kripo-Leute 50 Geräte teilen.

"Internet-Recherchen sind nicht mehr wegzudenken", sagt André Schulz, Landesvize des BDK. Im Jahr 2008 zählte die Hamburger Polizei gut 4100 Fälle von Internetkriminalität - mehr als doppelt so viel wie noch drei Jahre zuvor. "Der Status quo ist nicht zeitgemäß." So haben laut Schulz rund 50 Kripo-Beamte an der Polizeiwache in Billstedt nur einen internetfähigen PC, in Rahlstedt drängen sich 40 Beamte um einen Computer. Den Ermittlern, die sich beim Staatsschutz um Islamisten sowie Links- und Rechtsextremisten kümmern, stehen gerade einmal fünf Internet-PCs zur Verfügung, sagt Schulz. Ausgerechnet diese Gruppen verständigen sich über das Internet, müssen ständig beobachtet werden. "Hamburg ist bei diesem Thema deutschlandweit das Schlusslicht. Die Schleswig-Holsteiner Kripo etwa hat schon seit 2003 flächendeckenden Zugang zum Internet." Schon mehr als die Hälfte kleinkrimineller Taten wie Beleidigungen, Nötigungen und Betrügereien würden über das Internet begangen. Auch der Bereich Wirtschaftskriminalität spiele eine wichtige Rolle. "Das Internet als Tatmittel ist nicht mehr wegzudenken", sagt Schulz.

"Wir könnten effektiver und schneller arbeiten, wenn jeder Ermittler seinen eigenen Zugang zum Internet hätte", sagt BDK-Mitglied Frank Bueschler. Der Kriminalhauptkommissar ist Sachgebietsleiter für Jugend und Gewalt an der Wache Oberaltenallee (Uhlenhorst). Der 43-Jährige und seine 20 Kollegen müssen jeden Tag ins Internet. Über Sozialnetzwerke wie SchülerVZ, StudiVZ oder Facebook erfahren die Beamten viel darüber, mit wem Tatverdächtige in Verbindung stehen. Hier bekommen sie Informationen, die es in den Systemen der Polizei nicht gibt. "Wenn ich in den Foren nachschauen möchte, dann muss ich meinen Arbeitsplatz mit den Akten verlassen und in den Raum mit dem Internet-PC gehen. Und wenn ich Glück habe, ist der dann frei", sagt Bueschler. Dabei gehe viel Zeit verloren.

In einem Fall habe er einen mehrere Zeilen langen Link zu einem YouTube-Video eintippen müssen. Ein Jugendlicher, der von Gleichaltrigen überfallen worden war, hatte den Täter auf einem Film des Portals wiedererkannt. "Normalerweise würde man den per Mail zugeschickten Link einfach anklicken." Da die Beamten an ihren Arbeitsrechnern allerdings nicht ins Internet gehen können und nur diesen einen PC haben, müssen sie derart umständlich arbeiten. Zwar sei der Räuber schließlich überführt worden, aber "Schüler sind mittlerweile besser aufgestellt als wir Ermittler", beklagt Bueschler.

Es gebe Kollegen, die Überstunden machten, nur um ihre Fälle zu bearbeiten, oder nach Feierabend den heimischen PC anwerfen würden. Andere hätten schon mal ihren eigenen Laptop mit UMTS-Stick mit ins Büro gebracht, um die lästige Wartezeit zu umgehen. "Wir haben in unseren Büros schnelle Rechner, die besten Programme und sehr gute Bildschirme. Aber das Fehlen des Internetzugangs ist schon anachronistisch." Nun hat Polizeipräsident Werner Jantosch angekündigt, dass die komplette Kripo von diesem Makel befreit werde. Es heißt, dass die Polizeiführung sich lange sträubte, alle PCs internetfähig zu machen, um zu verhindern, dass die Beamten privat surfen. "Das war nicht der Fall", widerspricht Polizeisprecher Ralf Meyer. "Man kann private Reisen auch am Telefon buchen."

Grund seien vielmehr Sicherheitsbedenken gewesen. So wollte die Polizei verhindern, dass von außen auf das geschlossene Netz der Polizei zugegriffen werden könne. Zudem widerspricht Meyer dem BDK bei der Zahl der Internet-Rechner: "Allein das LKA hat 250." Der Polizeipräsident habe jetzt die richtige Entscheidung getroffen. "Alles andere ist doch kalter Kaffee. Fakt ist, dass Internetzugänge bei der Kripo flächendeckend eingeführt werden." Bis zum Sommer soll das endgültig geschehen sein. Gewerkschafter Schulz: "Wir begrüßen, dass die Polizei die Zeichen der Zeit erkannt hat."