Kugeln durchschlugen die Fenster im Obergeschoss und Scheiben der Haustür. Verletzt wurde niemand. Die Soko “Rocker“ nimmt Ermittlungen auf.

Kiel. Der Rockerkrieg in Schleswig-Holstein ist in eine neue Phase getreten. Am frühen Donnerstagmorgen verübten Unbekannte einen Anschlag auf das Haus des Hells-Angels-Anführers in Kiel. Gegen 4.30 Uhr feuerten sie mehrere Schüsse auf das unscheinbare Einfamilienhaus im Stadtteil Friedrichsort ab. Die Kugeln durchschlugen mehrere Fenster im Obergeschoss des Rotklinkerbaus und Glaseinlässe in der Hauseingangstür. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt.

Wie viele Schüsse abgegeben wurden und welche Waffe der Täter benutzte, wollte die Polizei gestern nicht bekannt geben. Ebenso wenig, wie viele Personen sich in dem Haus in der Nacht aufgehalten hatten. Der oder die Täter flüchteten und konnten trotz Sofortfahndung der Polizei entkommen. Das Landeskriminalamt (LKA) in Kiel schließt nach Angaben seines Sprechers Stefan Jung einen "Rockerhintergrund" nicht aus. Die Ermittlungen wurden deshalb nach der Spurenaufnahme an die Soko "Rocker" übergeben, in der seit Oktober vergangenen Jahres übergreifend alle Ermittlungen zusammenlaufen.

Mit den Schüssen auf das Haus des Hells-Angels-Chefs steigt der Druck auf Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Schlie (CDU). Während sich im Landeshaus die Stimmen für ein Verbot der Motorradrocker mehren, hat Schlie bislang offengelassen, ob und wann ein solches folgen könnte.

Ein Verbot der Hells Angels und der Bandidos würde landesweit etwa 50 Rocker treffen. Die Polizei warnt davor, diese scheinbar kleine Szene zu unterschätzen. Beide Gruppen sind bundesweit organisiert, können also schnell viele Anhänger mobilisieren.

Das Kieler Charter der Hells Angels war bislang in den seit Monaten anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen den Höllenengeln, Bandidos und deren jeweiligen Supporterklubs nicht in Erscheinung getreten. Ganz im Gegensatz zu den Hells Angels in Flensburg. Deren Anführer muss sich bald vor Gericht verantworten.

Stefan R., 36 Jahre alt, sitzt bereits in Untersuchungshaft. Er ist jetzt vor dem Landgericht Flensburg wegen versuchten Totschlags und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr angeklagt worden. Wie das Abendblatt berichtete, soll er in der Nacht zum 13. September 2009 einen auf seinem Motorrad fahrenden Bandido auf der Autobahn 7 nahe der Ortschaft Handewitt bei Flensburg entdeckt und dann mit seinem Auto angefahren haben.

Der erst 24 Jahre alte Bandido stürzte und zog sich bei dem Attentat lebensgefährliche Verletzungen zu. Anfang Januar nahm das Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei Stefan R. in seiner Wohnung in Flensburg fest. Die Anklage stütze sich auf "umfangreiche kriminalistische Ermittlungsergebnisse", gab die Staatsanwaltschaft bekannt. So soll sein Auto eindeutig als Unfallwagen identifiziert worden sein. Ein Gerichtstermin steht noch nicht fest.

Beide Rockergruppen gehen derzeit mit unglaublicher Brutalität aufeinander los. Ende Februar überfielen Bandidos einen 41-jährigen Hells Angel in der Flensburger Innenstadt, als er am Steuer seines Mercedes vor einem Imbiss wartete. Er wurde schwer verletzt, kam ins Krankenhaus. Vier Monate zuvor hatte die Polizei ebenfalls in Flensburg ein Waffenarsenal der Hells Angels in einer Autowerkstatt ausgehoben und Maschinenpistolen, Schrotflinten, Pumpguns, Revolver, Pistolen und Sprengstoff sichergestellt.