Der Fall des erschossenen Taxifahrers Peter Lüchow heizt die Diskussion um Sinn und Gefahr der Videoüberwachung neu an.

Hamburg. Der Fall erschien dubios, ohne Beispiel in der Hamburger Kriminalgeschichte: Wegen einiger weniger Euro richtete ein zunächst unbekannter Täter am späten Abend des 13. Januar in Nienstedten den Taxifahrer Peter Lüchow hin. Als die Fahnder mit ihren Ermittlungen begannen, gab es nichts: kein Motiv, keine klaren Spuren, keine Augenzeugen. Dass der mutmaßliche Täter, der Ramu B. (23, Name geändert) zweieinhalb Wochen später trotzdem in U-Haft ist, liegt - da sind sich die Ermittler einig - vor allem an der akribischen Aufarbeitung der Bilder verschiedener Überwachungskameras, die den Verdächtigen vor und nach der Tat an verschiedenen Bahnhöfen zeigen. Der Fall Lüchow könnte die Diskussion um Sinn und Gefahr der Videoüberwachung neu anheizen.

"Sicher ist, dass wir in diesem Fall größte Schwierigkeiten gehabt hätten, den Täter so schnell zu fassen - wenn es denn überhaupt möglich gewesen wäre", sagt Polizeipräsident Werner Jantosch. "Die Auswertung von Videobildern ist - eingebettet in andere Maßnahmen - eines der Ermittlungsinstrumente der Zukunft." Das gelte sowohl für die Strafverfolgung als auch für die Prävention. Jantosch: "Natürlich können wir einen Messerstecher nicht mehr aufhalten, auch wenn er die Tat vor laufenden Kameras begeht. Aber wir können ihn fassen, wenn wir wissen, wie er aussieht und somit weitere Taten verhindern."

Als beispielhaft für die derzeitige, zum Teil hitzig geführte Diskussion über das Thema sieht Jantosch einen Fall, der sich am Hansaplatz ereignet hat: Im Sommer vergangenen Jahres wurde dort ein junger Amerikaner brutal verprügelt, weil man ihn für homosexuell hielt. Es gab Mahnwachen und Appelle - auch von Gegnern der Präventionsüberwachung. Wenige Tage später war der Täter gefasst - dank Kamerabildern. Jantosch: "Diejenigen, die vorher gegen Kameras waren, bejubelten nun den Fahndungserfolg." Kurze Zeit später waren die Kameras trotzdem verschwunden. Grund: Einwände des Datenschutzbeauftragten.

Jantosch: "Uns wäre es mehr als recht, wenn es mehr Kameras gäbe. Nicht, weil die Beamten Bürger überwachen sollen oder wollen, sondern weil wir nach Straftaten Bilder sichern und auswerten können." Wilhelm Möllers, Sprecher der Staatsanwaltschaft, betont ebenfalls die Wichtigkeit von Kamerabildern bei der Kriminalitätsbekämpfung. Möllers: "Solche Bilder haben schon in zahlreichen Fällen zu Erfolgen geführt." Zwei Jugendliche, die in Harburg einen Dachdecker töteten, wurden ebenso schnell überführt wie ein Vergewaltiger, der in Langenhorn über eine 50-Jährige herfiel. Auch ein Serienräuber, der sieben Supermärkte ausraubte, konnte dank Bildern gefasst werden. Ermittler sind sicher, dass er weitere Taten plante.

Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar erkennt die Wichtigkeit von Kamerabildern bei der Fahndung an. Er sagt aber auch: "Wir leben in einer offenen Gesellschaft, können keine Totalüberwachung zulassen. Schutz vor Straftaten und Persönlichkeitsschutz müssten immer gegeneinander abgewogen werden." Eine Präventionswirkung von Videoüberwachung mit Blick auf Gewaltdelikte sei nicht erwiesen. GAL-Innenexpertin Antje Möller sagt: "Die aufklärerische Leistung von Videoüberwachung ist nicht strittig. Die Frage ist, ob sie auch präventiv wirken kann, oder ob Prävention auf anderen Wegen nicht besser erreicht werden könnte."

SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel sagt, der aktuelle Fahndungserfolg der Polizei solle "allen Zweiflern in der Koalition zu denken geben". Wenn Videoüberwachung rechtlich sauber umgesetzt werde, sei sie ein wichtiger Baustein in der Sicherheitsarchitektur der Stadt. Der Vorsitzende des Hamburger "Weißen Rings", Wolfgang Sielaff befürwortet eine Ausweitung von Videoaufzeichnungen: "Ein hervorragendes Instrument, Verbrechen aufzuklären. Die schnelle Aufklärung von Straftaten ist Opferschutz. Und: Gewiss habe die Angst, gefilmt zu werden, schon Straftaten verhindert.