Der Wanderer zwischen den Musikwelten, Burhan Öcal, tritt am Sonnabend in Hamburg im Zuge des Schleswig-Holstein Musik Festivals auf.

Rotherbaum. Der Mann sitzt eigentlich entspannt da. Elegante Design-Lederjacke, klotziger Goldring, den Bart irgendwo zwischen Django Reinhardt und Frank Zappa. Aber wenn auch nur eine Sekunde Leerlauf droht, beginnen seine Finger auf der Sessellehne zu trommeln. Nicht nervös, verspielt, schnelle komplizierte Rhythmen. Kein Wunder: Burhan Öcal, 58, ist Percussionist. Und dann noch Model für Werbespots, Komponist, Bandleader, Schauspieler, Showmaster, TV-Star.

Vor allem aber Musiker, deswegen ist er in Norddeutschland. Das Schleswig-Holstein Musik Festival hat ihn eingeladen, am Sonnabend spielt er in Hamburg. Öcal ist der perfekte Botschafter für sein Land - die Türkei. Einer, der Grenzen mag, weil man sie überwinden kann.

Geboren in eine musikalische Familie, der Vater Kinobesitzer, Jazzfan, die Mutter eher für Gesang und die religiöse Tradition zuständig. So wuchs Öcal auf, zwischen Charlie-Parker-Platten, Koransängern, der osmanischen Musik der Mehter-Kapellen und Zigeunermusik. Das Trommeln, vor allem auf der Darbuka, hat es ihm früh angetan, mit vier fing er an, mit 14 war er verloren für den Traum seiner Mutter, der Sohn solle Diplomat werden.

Brückenbauer ist Burhan Öcal geworden, zwischen Kontinenten und Kulturen. In die USA wollte er früh, in der Schweiz ist er erst mal hängen geblieben, "da war meine erste Freundin, eine Türkin, im Internat". Dann lernte er seine erste Frau kennen, eine Deutsch-Schweizerin. Und blieb 20 Jahre. Bis eine neue Liebe ihn zurück in die Türkei lockte.

Inzwischen war er international vernetzt mit vielen musikalischen Größen. Er zählt ein paar Namen auf: "Joe Zawinul, Miles Davis, George Gruntz, Sting, Pete Namlook, aber auch klassische Musiker wie die Pianistin Maria Joao Pires, das Kronos Quartett, Fazil Say oder Patricia Kopatchinskaja."

Öcal ist ein Wanderer zwischen den Musikwelten. Seine Inspiration kommt aus der türkischen Klassik, aus der Weltmusik, der europäischen Klassik und dem Jazz. Daraus wachsen Projekte, die staunen machen: 36 CDs - jede ist einem Sultan gewidmet. Eine Besinnung auf die türkischen, die osmanischen Wurzeln. "Wir hatten mal ein gewaltiges Reich", sagt Öcal, "das vergisst man leicht, wenn man nur Türkei sagt." Manche Sultane waren musikalisch, hatten eine europäische Mutter oder heirateten eine französische Prinzessin. Fusion pur.

Öcal kann noch radikaler sein. Eine CD heißt "Sufi/Bach" und stellt zwei Bach-Kantaten und Sufi-Musik aus Bachs Zeiten nebeneinander. "Bach verehrte Gott mit harmonischer Musik. Die Sufi-Musik hat vor allem Rhythmus, die Melodien sind einstimmig." Und doch dienen sie demselben Zweck. Kann man auch mal so hören, oder?

Vor allem die Rhythmen seiner Heimat faszinieren ihn. "Das sind gern ungerade Metren, 5 Achtel, 7 Achtel, 11 Achtel ... dazu einstimmige Melodien, die aus ganz starken Gefühlen stammen." Dabei ist Burhan Öcal weit weniger traditionell, als das klingen mag. Seine Werbeauftritte im Fernsehen und auf Riesenplakaten ("daher kennen mich viele Landsleute, die gar nicht wissen, dass ich Musiker bin") verdankt er seinem Image, vertraut mit westlicher Modernität zu sein. Und sein von wunderbaren Lebensfalten durchzogenes Gesicht symbolisiert: Ich bin Türke. Er spielt in Filmen und TV-Serien, macht ein Musical, hatte eigene Shows. Wo nimmt der Mann bloß seine Energie her? "Ach, das kommt alles zu mir, ich bin ja gar nicht auf der Suche."

Er liebt Abenteuer. Musikalische. Und balanciert gekonnt auf der Schnittstelle zwischen Ost und West, das direkte Nebeneinander von Schleier und Minirock in seiner Heimat macht ihm keine Angst; aber wenn eine Seite weniger gebildet sei, "dann gibt es Probleme."

In Hamburg, vermutet er, kommen wahrscheinlich mehr Deutsche als Türken. "Die alte Generation hat Angst, in eine Konzerthalle zu gehen, die Jungen kümmern sich mehr um Pop." Seine Hoffnung sind die jungen Gebildeten. "Die sind wirklich in der Lage, Brücken zu bauen." So wie Burhan Öcal selbst. Er spielt unter anderem eigene Kompositionen für Percussion und das NDR Pops Orchestra unter Kristjan Pärvi. Harmonie zwischen der Türkei und Europa - so kann sie wachsen, hofft er. Und hat auch schon die nächsten Baustellen im Kopf. Nach Shanghai will er noch in diesem Jahr. Grenzen sind nur spannend, weil man sie überwinden kann.

Burhan Öcal, NDR Pops Orchestra, Kristjan Pärvi: Oriental Beat. Sa, 20.8., 20.00, Laeiszhalle (U Messehallen/Gänsemarkt). Karten: 10 bis 49 Euro