Der 66-jährige Dirigent und Jurist, Rolf Beck, liebt das Schöne im Leben. Und seine Aufgabe als Intendant des Schleswig-Holstein Musik Festivals.

Wo Rolf Beck in diesen Tagen auftaucht, hat er immer eine Partitur dabei. Derzeit sind es Carl Orffs "Carmina Burana", denn heute Abend wird er in Flensburg zum ersten von drei Konzerten (es folgen Neumünster und Hannover) in deren faszinierende Klangwelt eintauchen - mit seinem Schleswig-Holstein Musik Festival-Chor, mit zwei Klavieren und den Grubingers, junior und senior, am Schlagzeug. Und er, der Intendant des Festivals, steht am Dirigentenpult. "Das ist der Einzige von uns, der sich das traut", hat mal sein Intendanten-Kollege Michael Herrmann vom Rheingau Musik Festival anerkennend zu etwa 100 Festival-Chefs gesagt, die im litauischen Vilnius tagten, als Beck dort mit der "Messias"-Partitur von einer Probe aus einer Kirche kam.

Vierzigmal allein in diesem Jahr steht er am Pult und muss beweisen, dass er die Musiker von seiner Vision eines Stückes überzeugen und begeistern kann. Denn "der Dirigent hat zwar die Macht, und das Handwerkszeug kann man lernen, aber das Entscheidende kommt danach".

Der eine Rolf Beck - studierter Jurist - sitzt gern am runden Tisch, wirbt für seine Ideen, lässt sich auch mal überstimmen. Der andere - studierter Kapellmeister - hat spürbar Freude daran, Dinge so zu gestalten, wie er von ihnen überzeugt ist. Musik so zu machen, wie er sie hören will. Dafür setzt er sich öffentlicher Kritik aus, die auch mal ("Einzelfälle") weit unter die Gürtellinie geht. Durchleidet das Kribbeln, wenn er etwas zum ersten Mal dirigiert, wie neulich Schönbergs "Verklärte Nacht". Da muss Leidenschaft größer sein als Angst vorm Scheitern. Das Glück des Gelingens ist sein Gewinn.

Als Dirigent sammelt er großartige Aufführungsorte, wie kürzlich die Hagia Eirene in Istanbul, eine ehemalige Kirche aus dem 4. Jahrhundert, oder die Alhambra in Granada, das Kloster Eberbach im Rheingau oder das schwäbische Barockkloster Ottobeuren oder Konzerte in Brasilien, Japan, Israel, Irland. "Das lässt einen nie kalt", sagt er und freut sich, dass der Festival-Chor, den er gegründet hat, inzwischen international so gut angesehen ist.

Daneben meistert Beck den Spagat, Chef des Festivals zu sein, als Leiter der NDR-Klangkörper aber Hauptabteilungsleiter in einer großen Sendeanstalt, mit Göttern über ihm, "in Zeiten geringer werdender Gelder kein Vergnügen" für jemanden, der gern in großer Selbstständigkeit entscheidet.

2013 enden beide Verträge, was kommt dann? Wirft er sein Auge immer noch auf die Generalintendanz der Elbphilharmonie, wie kürzlich spekuliert wurde? "Nein. Ach wissen Sie, ich bin jetzt 66. Ich habe mich sehr bewusst aus dem ersten Intendantenkarussell herausgezogen, und für mich hat das Musikmachen erste Priorität."

Obwohl ... als Musikmanager juckt es ihn schon in den Fingern, wenn er beschreibt, was er in Hamburg sieht: "Dringend erforderlich wäre Optimismus, eine Aufbruchsstimmung, ein Sichfreuen über ein Gebäude, das, wenn es erst fertig ist, einmalig ist. Davon spüre ich noch nichts in der Stadt. Es wäre höchste Zeit, die Weiche umzustellen." Wie er sich entscheiden würde, wenn man ihn tatsächlich riefe? "Hören Sie jemanden?", sagt er und lacht.

Noch hat er so gut zu tun, dass der private Rolf Beck ein wenig im Schatten steht. "Die Musik zieht sich ja bis weit ins Private hinein, meine Freundschaften sind sehr musikalisch ausgerichtet", sagt er. Er war in zweiter Ehe mit einer Hornistin verheiratet. Seine drei Kinder aus zwei Ehen, zwei Töchter, einen Sohn, sieht er immer mal wieder. Der Gourmet geht lieber gut essen, fürs Kochen fehlt ihm die Geduld, sagt er.

Statt Hobbys hat er Partituren und Pläne im Kopf, zum Beispiel für das nächste SHMF-Partnerland China. "Da spielt Hamburg mit seiner Partnerstadt Shanghai natürlich eine tragende Rolle." Wie Hamburg, wo er mit seiner Partnerin wohnt, schon jetzt die Stadt mit den meisten Festival-Konzerten ist - "Hamburg ist eben die Metropole im Norden". Aber die kleinen Festival-Orte im Land, die hat er mit Zähnen und Klauen verteidigt - trotz Spareinschnitten durch die Politik.

Bei diesem Thema kann der Intendant harsch werden. Schloss Salzau etwa, das Landeskulturzentrum, das aus Geldgründen verkauft werden soll. Dort lebte, probte und konzertierte viele Jahre die SHMF-Orchester-Akademie. Sie musste umziehen. "Zu entscheiden ohne Fachkenntnis und erst dann zu diskutieren, das hätte ich mir anders gewünscht." Oder das Wegkürzen der letzten 150 000 Euro für den Festival-Teil "Jazz Baltica".

In solchen Situationen wird Beck dünnhäutig und keilt auch mal gern zurück. Und stürzt sich wieder in die Musik. Schmiedet Pläne und Allianzen zugunsten des Festivals, fördert junge Gesangstalente und hat dabei schon wieder den nächsten Termin am Dirigentenpult im Kopf - und "das ist die Herausforderung", sagt er, "die wirklich zählt".