Das Restaurant Rialto in der City ist schon seit vielen Jahren ein Treffpunkt für Künstler, Galeristen - und Politiker. Es ist das Ambiente, das lockt.

Hamburg. Das Wiener Schnitzel mit Kartoffel-Gurkensalat ist legendär im Rialto an der Michaelisbrücke. "Wenn wir das von der Mittagskarte nehmen, drehen die Leute durch", sagt Tim Seidel, der das Restaurant mit seinem Freund Sebastian Libbert führt.

Doch Seidels Gäste kommen nicht nur wegen des panierten Stücks Fleisch hierher. Es ist vor allem das besondere Ambiente, das lockt. Die großen Panoramafenster des ehemaligen Kontorhauses geben den Blick auf den Herrengraben-Kanal frei, die Tische stehen ein wenig wackelig auf dem alten Fußboden aus Schiffsbohlen und an den Wänden hängen alle drei Monate Werke eines mal mehr, mal weniger bekannten Künstlers.

Die Speisekarte kommt auf einem schlichten Klemmbrett. Vier Hauptgerichte stehen zur Auswahl. Das günstigste kostet sieben Euro, das teuerste elf. Neben dem obligatorischen Schnitzel werden jeden Tag das Entenleberparfait mit Brioche und Salatbouquet, der Applecrumble mit Vanilleparfait und die Crème Brulée angeboten. Was das Rialto aber vor allem ausmacht, das sind die Künstler, die ihre Werke hier in Wechselaustellungen präsentieren. Der wohl bekannteste ist Sigmar Polke. Derzeit zieren Holzschnitzfiguren von Roland Wolf die Wände. "Ich kaufe mir von fast jedem meiner Künstler ein Werk", sagt Seidel. Dieses Mal hat er sich einen hölzernen Simon Beckett gegönnt.

+++ Wirt nimmt bei Kartenzahlung Gebühr +++

Pünktlich um 12 Uhr mittags wird Seidels Rialto täglich zur Kantine der Macher aus den Kanzleien der City und den Entscheidern aus dem Rathaus. Wirtschaftssenator Frank Horch und die ehemalige Kultursenatorin Karin von Welck kommen regelmäßig. Und dann treffen sie auf die Kreativen. Denn die hohe Galeriendichte auf der Fleetinsel hat das Lokal eben auch zu einem Treffpunkt der Künstlerszene Hamburgs gemacht. Die Schmuckdesignerin und Stifterin Stefanie Volkmer-Otto und der Tausendsassa Rocko Schamoni zählen unter anderen zu den Stammgästen. Letzterer lebt derzeit zwar in Berlin, aber wenn er in der Hansestadt weilt, besucht er seinen ehemaligen Stammladen gleich mehrere Male in Folge.

Doch das Restaurant im ehemaligen Neitlinger Haus hat nicht nur rosige Zeiten erlebt. Bevor Tim Seidel die Räume pachtete, waren die Gastronomen Clemens Gertler und Werner Geyer gescheitert. Diese Misserfolge schreckten den gebürtigen Braunschweiger, der vor 17 Jahren als Galerie-Assistent von Claudia Schneider-Esleben in Hamburg startete, aber keineswegs ab. Ganz im Gegenteil. Sie sind sein Geheimrezept. Seidel orientiert sich an Fehlern, um es besser zu machen. Und dieses Konzept funktioniert nun schon seit fast acht Jahren hervorragend.

Am 28. April 2004 feierten er und sein Kompagnon Libbert die Neueröffnung des Rialto. "Es war damals keine leichte Entscheidung, den Laden zu übernehmen und ganz von vorne anzufangen", sagt der Gastronom im Rückblick. "Jeder Unternehmensberater hätte uns für verrückt erklärt, aber wir haben uns nicht die Finger verbrannt." Dennoch brauchte das Duo etwa drei Jahre, um eine neue Stammkundschaft zu gewinnen und die alte zurückzuerobern.

Heute läuft das Rialto so gut, dass die Tische in der Mittagszeit zwei- bis dreimal besetzt werden. Es sei vor allem flinker Service, der zum Erfolg eines Lokals beitrage. "Alles muss ruck, zuck gehen. Fünf Gerichte stehen auf der Karte. Nach zwei Minuten kommt das Getränk, nach fünf das Essen und nach 20 das Dessert", erklärt Seidel, der außerdem die Oberhafen-Kantine und die Weltbühne führt. Sein Rialto sei mittlerweile einfach "eine gut funktionierende Maschine". Und zwar eine sehr charmante.