Mehrzad Marashi, Gewinner der RTL-Castingshow “Deutschland sucht den Superstar“, ist mit sechs Jahren aus dem Iran nach Hamburg gekommen.

Hamburg. Mehrzad Marashi, 29 Jahre alt, Hamburger und einer von rund 465.000 Bewohnern dieser Stadt mit Migrationshintergrund. Aber der einzige offizielle Superstar. Marashi kam mit sechs Jahren aus dem Iran nach Hamburg, ohne Deutschkenntnisse, aber mit Eltern, die wollten, dass er und seine zwei Geschwister es in Deutschland schaffen. In der "DSDS"-Show überzeugte er durch sein reifes Auftreten: Er war stets perfekt vorbereitet und lieferte konstant gute Leistungen ab, ganz anders als seine Konkurrenten. Vielleicht, weil Mehrzad Marashi früh lernen musste, sich durchzusetzen und dass er sich mehr anstrengen muss, um mit den anderen Schritt zu halten. Gestern gab er dem Abendblatt per Telefon eines seiner ersten Interviews als Superstar.

Mehrzad Marashi:

Hallihallo!

Hamburger Abendblatt:

Hallo, Herr Marashi! Na, wie geht's?

Marashi:

Ja, super!

Abendblatt:

Herzlichen Glückwunsch!

Marashi:

Ja, danke schön. Wirklich, danke schön.

Abendblatt:

Sie sind jetzt "Deutschlands neuer Superstar". Fühlen Sie sich eigentlich als Deutscher?

Marashi:

Ja, dieses Wort Deutschperser passt perfekt zu mir. (Er lacht laut). Ich habe ja auch den deutschen Pass.

Abendblatt:

Sind Sie ein Beispiel für gelungene Integration?

Marashi:

Ja, weil ich einfach verstanden habe, worum es geht. Egal, wo man hinzieht, man muss sich anpassen. Das fängt mit der deutschen Sprache an. Viele verstehen einfach nicht, dass, wenn man der deutschen Sprache mächtig ist, auch ganz anders angesehen wird. Egal, ob von Deutschen oder einem Araber. Und dann gehört natürlich dazu, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden. Also, eben nicht kriminell zu werden. Man soll versuchen, einen geraden Weg zu gehen. Ich bin jetzt fast 30, und das schlimmste Vergehen, das ich mir geleistet habe, ist, ohne Fahrerlaubnis Auto zu fahren. Darauf bin ich nicht stolz, aber aus Fehlern lernt man, und wichtig ist, dass man sie nicht wiederholt.

2006 hat der Hamburger Senat ein "Handlungskonzept zur Integration von Zuwanderern" vorgestellt. Es hat das Ziel, die Chancengleichheit von Migranten zu erhöhen. Sprachliche Frühförderung im Vorschulalter soll zum Beispiel helfen, den Anteil der Migranten ohne Schulabschluss zu verringern. Eines der formulierten Ziele war es, bis 2011 den Anteil der Auszubildenden mit Migrationshintergrund von sechs Prozent auf 20 Prozent zu erhöhen. Im Oktober 2009 lag diese Zahl schon bei 14 Prozent. Die damalige Zweite Bürgermeisterin und Sozialsenatorin, Birgit Schnieber-Jastram (CDU), schrieb in der Präambel: "Die Integration von Zuwanderern ist die wichtigste gesellschaftliche Herausforderung unserer Zeit. (...) Integration ist dann gelungen, wenn die Zuwanderer gleichberechtigt am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilhaben."

Abendblatt:

Welchen Anteil haben Ihre Eltern an Ihrem Erfolg?

Marashi:

Mein Vater hat immer gesagt: Ich bin nicht umsonst nach Deutschland gezogen. Ihr sollt die Möglichkeiten nutzen, die ihr hier habt.

Abendblatt:

Was hat er beruflich gemacht?

Marashi:

Er war im Iran beim Militär, Offizier für Luftabwehr, als der Schah noch da war. Deswegen sind wir dann auch geflüchtet, weil wir nicht zum Regime gehörten. Hier in Deutschland war mein Vater dann selbstständig und ist heute Rentner.

Abendblatt:

Sie sind mit sechs Jahren nach Deutschland gezogen. Sind Sie gleich nach Hamburg gekommen?

Marashi:

Ja, direkt nach Hamburg, in die Habichtstraße in Barmbek. Da bin ich auch zur Grundschule gegangen. Nach zwei Jahren sind wir dann nach Bramfeld gezogen, haben dort lange gelebt und die letzten Jahre in Rahlstedt/Farmsen.

Abendblatt:

Auf welche Schule gingen Sie?

Marashi:

Ich habe mein Fachabitur auf der Gesamtschule Horn gemacht.

Abendblatt:

Ist ja ein weiter Weg vom Sechsjährigen, der kein Wort Deutsch spricht, bis zum Fachabitur und schließlich "Superstar". Wie hat man Ihnen geholfen, sich in der fremden Umgebung einzuleben?

Marashi:

Als Kind hat man es natürlich einfacher, weil man die Sprache sehr schnell lernt. Ich habe das in sechs Monaten geschafft. Weil ich das Glück hatte, noch in den Kindergarten gehen zu dürfen. Ich bin danach auch direkt in die erste Klasse gekommen, während meine Geschwister, die älter sind, in die Ausländerklasse kamen, wo nur Migranten drin waren, keine deutschen Kinder. Die hatten es natürlich schwerer mit der Sprache. Ich dagegen wurde ins kalte Wasser geschmissen und musste die Sprache einfach lernen.

Abendblatt:

Haben Sie das Gefühl, man hat Sie in der Schule gut gefördert?

Marashi:

Ja, auf jeden Fall. Ich habe auf der Gesamtschule Horn den weltbesten Musiklehrer gehabt, Arend Schmidt-Landmeier, der hat auch damals "Tabaluga" mitgemacht. Ja, und der hat gemerkt, dass ich Potenzial habe. Alles, was Musik betrifft, habe ich von ihm gelernt. Harmonielehre, was musikalisches Gehör heißt, im Chor zu singen. Alles, was für einen Musiker wichtig ist, wurde mir dort in den acht Jahren mitgegeben.

Die Gesamtschule Horn wurde im Jahr 2007 Bundespreisträgerin des Wettbewerbs "Musik gewinnt", der alle zwei Jahre vom Verband Deutscher Schulmusiker, dem WDR 3, dem Deutschen Musikrat, der Strecker-Stiftung und der Initiative Hören vergeben wird. In der Begründung für die Preisvergabe an die GS Horn hieß es: "Die Gesamtschule Horn Hamburg liegt in einem sozialen Brennpunkt und hat einen Ausländeranteil von etwa 70 Prozent. In der Mittelstufe sind etwa 550 Schülerinnen und Schüler (82 Prozent) an musikalischen Projekten, AGs, Kursen und Workshops beteiligt. (...) Durch Aufführungen, CD- und Musicalproduktionen, Teilnahme an Wettbewerben sowie durch eine großzügige Einrichtung von Musik-, Arbeits- und Übungsräumen entwickelte sich der Musikbereich in den letzten Jahren zum kulturellen Dach der Schule."

Abendblatt:

Was kam nach dem Abitur?

Marashi:

Ich habe danach ein bisschen Musik gemacht, habe vier Semester an der Sängerakademie Gesang und Klavier studiert, mir fehlen noch zwei Semester bis zum Abschluss.

Abendblatt

Bevor Sie zu "DSDS" gekommen sind, haben Sie ja von Hartz IV gelebt.

Marashi:

Ich habe ein Jahr vorher noch eine Karaoke-Bar gehabt, und die ist ein halbes Jahr vor "DSDS" pleitegegangen. Und da ich davor immer selbstständig war als Musiker, stand mir nichts zu, deswegen bin ich direkt in Hartz IV gerutscht. Das war das erste Mal, und ich muss echt sagen, ich möchte da nie wieder rein. Man fühlt sich als Mensch in dieser Gesellschaft nicht mehr akzeptiert. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass man sich damit zufriedengeben kann, von 350 Euro im Monat zu leben. Das ist unmenschlich. Ich bin froh, dass ich nach sechs Monaten aus dieser schrecklichen Situation rausgekommen bin und mein Leben wieder selbst in die Hand nehmen kann.

Mehrzad Marashi sang in der "DSDS"-Show mal ein Lied von Xavier Naidoo "Dieser Weg" (... wird kein leichter sein). Naidoo, den Marashi zu seinen Vorbildern zählt, hat einen indischen Vater und eine Mutter mit südafrikanischen und arabischen Wurzeln. In Hamburg leben laut Statistischem Landesamt 235 918 Menschen ohne deutschen Pass, also rund 14 Prozent aller Hamburger. Die größte Gruppe darunter sind die Türken, danach die Polen und Afghanen. Die Iraner, rund 8000 leben in Hamburg, liegen im oberen Drittel.

Abendblatt:

Und sind Sie jetzt müde? War bestimmt anstrengend.

Marashi:

Ich bin total müde. Ich war auch die letzten zwei Wochen extrem krank. Ich konnte gestern vier Stunden vor der Show kaum sprechen, weil die Stimme so zu war, ich bin starker Allergiker. War ein kleines Handicap.

Abendblatt:

Ging ja trotzdem gut aus. Viele Hamburger sind jedenfalls stolz auf Sie.

Marashi:

Ich bin auch total stolz, aus Hamburg zu kommen.

Abendblatt:

Bei wem möchten Sie sich bedanken? Vielleicht bei den Hamburgern, die Sie gewählt haben?

Mehrzad:

Auf jeden Fall. Ohne die Unterstützung der Hamburger und auch der Perser, die hier leben und für mich angerufen haben, hätte ich das nicht geschafft. Ich werde mich jetzt total geehrt fühlen, wenn ich durch diese Stadt gehe.