Friede, Freude, Eierkirchen

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Hans-Eckart Jaeger

Kaltenkirchen: Die Integration funktioniert: Menschen aus aller Herren Länder leben hier einträchtig zusammen. Und sie haben nahezu alles, was sie brauchen.

"Grand Hand", kündigt Thomas Chrabkowski (33) an und knallt den Kreuzbuben auf den Tisch. Im Vereinsheim der Kaltenkirchener Turnerschaft am Marschweg haben sich die Tischtennisspieler zu einer zünftigen Skatrunde eingefunden: Thomas, der vor 17 Jahren mit seinen Eltern von Danzig nach Kaltenkirchen übersiedelte, der gebürtige Berliner Armin König (68), seit 41 Jahren am Neuen Weg zu Hause, und Ralf Götzinger (39), der hier geboren wurde. Am Tisch sitzen noch Willi Schick und Eugen Liebelt, die aus Moldawien und Russland kommen.

Die Bemühungen um ein friedliches und freundschaftliches Nebeneinander in Kaltenkirchen sind beispielhaft. "Wir haben ein interessantes Mischungsverhältnis aus verschiedenen Herkunftsnationen", sagt Bürgermeister Stefan Sünwoldt, der seit dem 1. Juni 2005 im Amt ist. "Mir ist nichts bekannt, was ein Zusammenleben stören würde. Es mag hier und da mal Nachbarschaftsstreitigkeiten geben. Die kommen aber auch unter ,Einheimischen' vor."

Wie wichtig ein erfolgreicher Integrationsprozess ist, darüber sprach der im niedersächsischen Oldenburg geborene Sünwoldt Anfang dieses Jahres anlässlich einer Veranstaltung zur Erinnerung an das ehemalige KZ-Lager Springhirsch. Denn er weiß es aus eigener Erfahrung. Er erinnerte an einen Vorfall vor einigen Jahren in seinem damaligen Wohnort Magdeburg. Damals sei seine Frau, die aus Afghanistan stammt, von rechten Stiefelträgern angemacht und angerempelt worden. Er betonte, wie wichtig heute die Erinnerungsarbeit überall in Deutschland sei, um rechtsradikalen Gesinnungstätern das Wasser abzugraben. Der Kampf gegen Fremdenhass und das Einstehen für ein menschliches Miteinander müsse jederzeit Aufgabe aller gesellschaftlichen Kräfte sein.

Dass dieser Prozess in Kaltenkirchen mit einer Ausländerquote von 6,4 Prozent hervorragend klappt, bezeugen Marina (34) und Andrej Denk (39), die aus Sibirien hierhergezogen sind. Sie haben deutsche Vorfahren und leben seit fünf Jahren in Kaltenkirchen. An der Hamburger Straße führen sie das Lebensmittelgeschäft Kalinka mit einem kleinen Reisebüro. Sie bieten russische Spezialitäten an, unter anderem eingelegte Tomaten und Fleischtaschen "Pilmeni". "Achtzig Prozent unserer Kunden sind Landsleute", sagen sie, "aber die Zahl der deutschen Käufer wird immer größer." Und außer anfänglichen Sprachschwierigkeiten hätten sie in Deutschland keinerlei Probleme gehabt.

Was macht Kaltenkirchen liebenswert? Bürgermeister Stefan Sünwoldt weiß die Antwort: "Kaltenkirchen mit seinen vielen Freizeit- und Einkaufsmöglichkeiten ist eine Stadt im Grünen - und das wird sie immer bleiben. Hier kann man gut arbeiten und wohnen. Das Gewerbegebiet und besonders das Möbel- und Modehaus Dodenhof mit 800 Arbeitsplätzen sind eine fruchtbare Umgebung."

Ein Dorn im Auge ist vielen Bürgern der Stadt immer noch das seit Jahren brachliegende Gelände um den neuen AKN-Bahnhof. 2162 Kaltenkirchener trugen sich in eine Unterschriftenliste ein und protestierten gegen die Baupläne der Firma Tutela, die ein neues Geschäfts- und Wohnquartier errichten will. Doch der Protest scheiterte. Die Pläne passierten den Bauausschuss und gingen danach zur Absegnung durch die Stadtvertretersitzung.

Marina und Andrej Denk aus Sibirien fürchten die Konkurrenz auf der anderen Straßenseite nicht: "Die Stammkunden werden uns gewiss die Treue halten."

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