Hamburg. Das Ukrainian Classical Ballet bringt die Hochkultur zurück ins runderneuerte Congress Center Hamburg und sorgt für lange Schlangen.

Das Foyer sieht schon mal aus wie in einem richtigen Theater. Da hat die Generalüberholung des CCH richtig was gebracht: Es ist hell, offen, viel Holz sorgt für eine edle Anmutung. Dass man in den dritten Stock muss, obwohl man Tickets fürs Parkett hat, verwirrt ein paar Besucher bei „Schwanensee“ vom Ukrainian Classical Ballet, der ersten großen Hochkulturveranstaltung seit der Renovierung, aber das ist lösbar, zumal man von hilfreichen Mitarbeitern freundlich über die Rolltreppen gelotst wird.

Problematischer sind Logistikprobleme: Es wurden Plätze verkauft, die überhaupt nicht existieren, und das Abendpersonal findet zunächst keine adäquate Lösung. Und an der Garderobe bilden sich lange Schlangen, die Leute brauchen ewig, um ihre Mäntel abzugeben. Entsprechend kommen immer noch Nachzügler in den Saal, als die Ouverture erklingt, sie tuscheln, stolpern, suchen ihre Plätze. Es herrscht eine große Unruhe.

CCH: Wiedereröffnung mit „Schwanensee“-Ballett vor ausverkauftem Saal

Wobei das nicht so schlimm ist, weil: Es läuft ein Band. Ein Orchester hat das Ukrainian Classical Ballet nicht dabei, entsprechend scheppert Tschaikowsky blechern durch den Abend. Was allerdings kaum stört, denn hier geht es um Tanz. Und zwar ausschließlich um Tanz, da würde live gespielte Musik nur stören.

Buntes Treiben auf der Bühne im frisch renovierten CCH.
Buntes Treiben auf der Bühne im frisch renovierten CCH. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Die 2017 unter der künstlerischen Leitung von Ivan Zhuravlev gegründete Tourneetruppe hat es sich zur Aufgabe gemacht, die großen Choreografien von Marius Petipa möglichst orignalgetreu nachzutanzen, neben „Schwanensee“ hat sie unter anderem auch „Don Quichotte“ oder „Dornröschen“ im Repertoire – das ist eine beeindruckende tänzerische Leistung, auch wenn der künstlerische Ertrag gegen null geht. Im Grunde ist diese „Schwanensee“-Aufführung Ballett für Leute, denen die großen klassisch ausgerichteten Kompanien in Wien, Stuttgart oder auch Hamburg zu modern sind. Und dagegen gibt es nichts einzuwenden: Das CCH ist ausverkauft, praktisch nach jeder solistischen Passage gibt es Szenenapplaus. Hier wird also ein Bedürfnis befriedigt, und deswegen hat das Gastspiel schon seine Berechtigung. Man kann aber nicht anders, man fühlt sich ein wenig über den Tisch gezogen.

CCH: Kein Orchester, dafür aber Pappkulisse bei „Schwanensee“ in Hamburg

Mindestens 50 Euro hat man für einen mäßigen Platz bezahlt, dafür gibt es: kein Orchester. Keine künstlerische Idee. Eine Pappkulisse, die sich vor allem mittels Lichtstimmungen verändert, und zwar nach den Schattierungen „kitschig“, „extrem kitschig“ und „extrem kitschig mit Nebel“. Auf der anderen Seite gibt es aber auch tatsächlich großartigen Tanz, wie er typisch für den postsowjetischen Raum ist: atemberaubende Sprünge, perfekte Pirouetten, ein Schwanen-Corps de ballet, das einem den Mund offen stehen lässt. Wem das reicht, der erlebt hier einen gelungenen Abend. Wer mehr möchte, der kann sich an der Staatsoper zum Beispiel John Neumeiers „Illusionen – Wie Schwanensee“ anschauen, das nächste Mal im Juni.

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Am Merchandising-Stand derweil werden Schlüsselanhänger in Schwanenoptik angeboten, eine Ballerina-Barbiepuppe, außerdem ein eher informationsarmes Hochglanz-Programmheft, für 10 Euro. Könnte man sich jetzt kaufen. Aber man muss vor allem schnell zur Garderobe, sonst dauert das wieder Stunden, bis man an seine Jacke kommt.