HafenCity

„High Line“ für Hamburg: Spektakulär oder lächerlich?

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Der New Yorker High Line Park ist eine begrünte ehemalige Güterbahntrasse und bietet tolle Ausblicke.

Der New Yorker High Line Park ist eine begrünte ehemalige Güterbahntrasse und bietet tolle Ausblicke.

Foto: Francois Roux / stock.adobe.com

Lob und Kritik für Vorstoß des SPD-Fraktionschefs für begrünte Brücke zwischen City und HafenCity. Viele fragen: Warum erst jetzt?

Hamburg.  Eine begrünte Fußgängerbrücke, die die traditionelle Hamburger Innenstadt mit der HafenCity verbindet und so das Zusammenwachsen dieser beiden Pole fördert: Dieser Vorschlag von SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf hat am Montag für gemischte Reaktionen gesorgt.

In der Sache stieß die von der New Yorker High Lineinspirierte Idee auf viel Unterstützung – dass sie erst jetzt kommt, nicht mal ein Jahr vor Eröffnung des riesigen Übersee-Quartiers, sorgte hingegen für Kritik.

HafenCity: „High Line“ für Hamburg – Spektakulär oder lächerlich?

„Es ist völlig klar, dass wir eine hochattraktive Verbindung brauchen, mit der Innenstadt und HafenCity zusammenwachsen – und auch das in einer neuen ‚Hamburg-Geschwindigkeit‘“, sagte Handelskammer-Sprecher Peter Feder und betonte: „Wir unterstützen jeden Vorschlag, der diesem Ziel gerecht wird.“

Gleichzeitig schränkte er ein: „Viele gute Vorschläge, die zum Teil vor mehreren Jahren unter anderem von unserer Handelskammer unterbreitet worden sind, dürften bei Senat und Bürgerschaft bereits bekannt sein. Statt eines sommerlichen Ideenwettbewerbs brauchen wir ein tragfähiges Konzept, welches bis zur Eröffnung des Überseequartiers im kommenden Jahr umgesetzt werden kann.“

Hamburgs High Line nach New Yorker Vorbild soll Überseequartier anbinden

Auch Kienscherf hatte seinen Vorschlag im Abendblatt-Gespräch mit dem Bau des Überseequartiers begründet, das im Frühjahr 2024 eröffnen soll und mit 80.000 Quadratmetern Verkaufsfläche Hamburgs größtes Einkaufszentrum wird.

Einige Experten befürchten, dass die nur rund 1000 Meter entfernte Konkurrenz der Innenstadt das Wasser abgraben könnte. Daher sollen die Besucher dazu motiviert werden, zwischen diesen beiden Anziehungspunkten hin- und herzulaufen.

„Es war immer klar, dass wir die Verbindung von der traditionellen Innenstadt zum Überseequartier stärken müssen, und alle sind sich einig, dass dies über die Domachse erfolgen sollte“, so Kienscherf. Diese bislang etwas öde Verbindung von der Ecke Petri-Kirche/Mönckebergstraße über Domplatz und Alten Fischmarkt bis zur Speicherstadt und weiter in die HafenCity müsse daher auf vielfältige Weise aufgewertet werden, etwa durch attraktivere Erdgeschossnutzungen und Cafés.

Kienscherf: „Es muss etwas Spektakuläres sein, etwas, das die Menschen anlockt“

Doch das allein werde nicht reichen, die Strecke selbst müsse als Attraktion wahrgenommen werden, so der SPD-Fraktionschef, dessen Vorschlag lautete: „Ich kann mir eine begrünte Holzbrücke vom Domplatz bis zum Nordrand der Speicherstadt vorstellen.“ Denkbar seien auch andere Ideen, etwa große Skulpturen, aber klar sei: „Es muss etwas Spektakuläres sein, etwas, das die Menschen anlockt, weil sie es sehen und erleben wollen.“

Eben wie die High Line in New York, die ab 2006 auf einer stillgelegten Güterzugtrasse angelegt wurde. Sie ist mit neun bis 18 Metern Breite und 2,6 Kilometern Länge allerdings deutlich größer, als es in Hamburg möglich wäre: Kienscherf stellt sich eine drei bis vier Meter breite Brücke vor, die wohl nach rund 300 Metern enden müsste, weil sie dann auf das Weltkulturerbe Speicherstadt stieße, wo sich eine Fortsetzung vermutlich verbietet.

Norbert Hackbusch (Linke): Vorschlag ist lächerlich und löst die Probleme nicht

„Mit der Anleihe bei der ‚High Line‘ in New York macht Kienscherf sich lächerlich“, kritisierte daher Norbert Hackbusch, Abgeordneter der Linksfraktion. „Die hier vorgeschlagene Strecke ist mit New York doch überhaupt nicht zu vergleichen.“ Gleichwohl räumte er ein: „Sicher richtet dieser Vorschlag aber auch keinen Schaden an und ist schon mal attraktiver als die bisherige Straßensituation.“

Doch die vorhandenen Probleme löse dieses Projekt auch nicht, so Hackbusch: „Das neue riesige Einkaufsquartier fernab vom Verkehrsknotenpunkt Hauptbahnhof war ein Fehler und wird wohl leider ein fataler Fehler bleiben. Die Stadt braucht dieses Einkaufsgetto schon jetzt kaum noch. Die jetzt daraus resultierenden Probleme für die ,alte Innenstadt’ lassen sich nicht über einen kleinen Fußgängerweg lösen, sondern über mehr Wohnungen und attraktive öffentliche Nutzungen.“

Und die breite Schneise der ehemaligen „Ost-West-Straße“ (heute Willy-Brandt-Straße/Ludwig-Erhard-Straße) müsse radikal zurückgebaut werden, damit die beiden Teile der Stadt wieder zusammenwachsen können.

Dennis Thering (CDU) verweist auf eigenes Konzept: „Guten Morgen, liebe SPD“

CDU-Fraktionschef Dennis Thering befand trotz Kienscherfs Vorstoß: „Hamburgs Innenstadt leidet unter der Ideenlosigkeit von SPD und Grünen. Die Kriminalität rund um den Hauptbahnhof und den Jungfernstieg schaden der Aufenthaltsqualität, und in den Abendstunden ist die Innenstadt ausgestorben.“ Die CDU habe bereits vor mehr als zwei Jahren ein umfassendes Konzept zur Belebung und Attraktivitätssteigerung der City vorgelegt, das auch Vorschläge für Verbindungen von Innenstadt, HafenCity und Neustadt gemacht habe.

„Dieses Dreieck Rathaus, Landungsbrücken und HafenCity wollen wir gezielt stärken“, so Thering. „Dazu haben wir uns – ebenfalls vor über zwei Jahren – unter anderem für sogenannte ,Skywalks’ ausgesprochen, zum Beispiel in Form einer grünen Hochtrasse.“

Sein Fazit: „Guten Morgen, liebe SPD! Es ist zwar schön, dass Teile der SPD jetzt eine Forderung von uns aufgreifen. Allerdings redet dieser rot-grüne Senat immer nur über die Innenstadt und handelt nicht.“ So forderte auch Thering erneut, die Willy-Brandt-Straße in einen Tunnel zu verlegen, damit Innenstadt und HafenCity zusammenwachsen können. „Das sind Ideen, die ein nächster Senat dringend angehen muss.“

Dominik Lorenzen (Grüne): „Überbauung der Domachse wäre Highlight für unsere Stadt“

Nach Aussage von Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen hat Rot-Grün das Thema bereits auf dem Schirm: „Hamburg ist auch deswegen eine so schöne und lebenswerte Stadt, weil Ästhetik und Praktikabilität oft zusammengedacht werden“, sagte er dem Abendblatt.

„Deshalb ist es richtig, über eine optisch ansprechende Verbindung zwischen Innenstadt und Hafen City nachzudenken, die das Stadtbild bereichert. Wir benötigen hier dringend innovative Konzepte. Eine attraktive Querung, etwa durch eine Überbauung der Domachse, wäre ein Highlight für unsere Stadt.“

Eine solche Lösung sollte intensiv geprüft werden, forderte Lorenzen. „Der rot-grüne Senat hat sich zum Ziel gesetzt, eine tragfähige Lösung zu finden. Deshalb findet im kommenden Herbst ein Werkstattverfahren mit fünf namhaften internationalen Architekturbüros unter Einbindung der Öffentlichkeit statt, wo genau solche Ideen entwickelt und diskutiert werden sollen, mit dem Ziel, dass am Ende ein gutes und breit getragenes Ergebnis steht.“

AfD spricht von „Sommerlochgetöse“, FDP von „Ablenkungsmanöver“

„Das ist doch ein lupenreines Sommerlochgetöse der SPD“, sagte dagegen AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann. „Generell sind wir als AfD-Fraktion nicht abgeneigt, neue Wege in der Stadt- und Verkehrsplanung zu gehen. Allerdings sollte der rot-grüne Senat zunächst seine Hausaufgaben in Sachen Innerer Sicherheit und bezahlbarer Energie machen, bevor er sich in neue Leuchtturmprojekte stürzt. Die SPD sollte weniger abheben und auf dem Boden der Tatsachen bleiben, dann klappt es auch mit der Bürgernähe.“

Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein unterstellte Kienscherf ein anderes Motiv: „Weil die langjährige Regierungspartei SPD eine vernünftige Erneuerung der wichtigen Köhlbrandquerung nicht einvernehmlich lösen kann, wirkt dieser Vorschlag wie ein Ablenkungsmanöver eben davon.“

Gleichwohl meinte sie auch: „In der Sache ist die Idee einer High Line sehr charmant. Nur hat es die Koalition ja nicht so mit der soliden Umsetzung von Brücken- und Infrastrukturprojekten, siehe oben.“ Auch Treuenfels-Frowein forderte, die Idee einer teilweisen Tieferlegung der Willy-Brandt-Straße müsse „ernsthaft geprüft werden, um die Hafen City besser an die Innenstadt anzubinden“.