Hamburg. Werden in Hamburg Zehntausende Impfdosen ungenutzt vernichtet? Wird die Versammlungsfreiheit zu stark eingeschränkt? Und wie ungleich verteilt sind die Infektionsrisiken? Über diese Fragen zur Corona-Pandemie hat die Bürgerschaft am Mittwoch ausgesprochen engagiert diskutiert - wobei die AfD einmal mehr für Empörung sorgte.
SPD-Gesundheitspolitikerin Claudia Loss warnte dabei davor, die Menschen „auf der Zielgeraden gegeneinander auszuspielen“. Sie bezog sich dabei auf Aussagen, wonach Menschen mit Migrationshintergrund besonders oft von Infektionen getroffen würden oder eine geringere Impfbereitschaft zeigten. Für solche Feststellungen sei die Datenlage ausgesprochen dünn. Man dürfe nicht „plakativ auf bestimmte Gruppen zeigen“ und dürfe aus „Opfern keine Täter machen“, so Loss.
Corona-Regeln "kein Selbstzweck, wir wollen Leben schützen"
Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen sagte, es sei mit einem „Kraftakt“ gelungen, die dritte Welle zu stoppen. „Ja wir sind streng und konsequent in Hamburg“, sagte Lorenzen. „Aber das ist kein Selbstzweck, wir wollen Leben schützen.“ So habe Hamburg die beste Inzidenz erreicht. Der R-Wert, der angibt, wie viele Menschen ein Infizierter durchschnittlich ansteckt, müsse weiter unter 1 bleiben und man dürfe nur in kleinen Schritten öffnen.
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CDU-Fraktionschef Dennis Thering lobte zwar den vorsichtigen Hamburger Kurs. „Wir würden uns aber mehr Ehrgeiz beim Impfen wünschen“, so Thering. Der Senat habe aber die CDU-Vorschläge für ein 24-Stunden Impfzentrum mit Hilfe der Bundeswehr oder ein mit dem Pkw anzufahrenden „Drive-Impf“ abgelehnt. Für Empörung sorgte Therings Vorwurf, die Stadt habe 43.000 Impfdosen in den Müll geworfen. Der CDU-Politiker bezog sich auf NDR-Recherchen, nach denen keine siebte Dosis aus dem Biontech-Fläschchen entnommen werde, obwohl dies oft möglich sei. In anderen Ländern geschehe dies.
Werden Impfdosen weggeworfen? "Billiger Populismus"
Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) wies den Vorwurf zurück. Bei einer siebten, womöglich nicht ganz vollständigen Dosis sei die volle Wirkung nicht garantiert. Sie werde daher nicht anordnen, dass eine siebte Dosis immer entnommen werde. Zugelassen sind die Biontech-Lieferungen lediglich für sechs Dosen. Auch der SPD-Abgeordnete und Arzt Mathias Petersen wies die Kritik zurück. Es wäre „grob fahrlässig“, eine womöglich zu geringe Menge als siebte Dosis zu verimpfen. SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf warf Thering „billigen Populismus“ vor.
Linken-Gesundheitspolitiker Deniz Celik konstatierte zwar, dass die Lage auf den Intensivstationen noch angespannt sei, daher dürfe es keine voreiligen Öffnungen geben. Zugleich kritisierte er, dass Hamburg die „versammlungsfeindlichsten Regelungen“ habe – obwohl von Versammlungen mit Abstand im Freien kein besonderes Infektionsrisiko ausgehe. Das Vorgehen der Polizei gegen linke Demonstrationen am 1. Mai habe an G20 erinnert – während Querdenker hätten demonstrieren können. Die Pandemie können nicht bekämpft werden durch eine „autoritäre Deformation der freiheitlichen Gesellschaft“.
AfD fabuliert von "Impf-Apartheid"
Für Empörung sorgte einmal mehr der AfD-Abgeordnete Krzysztof Walczak. Die Wiederherstellung der Freiheiten für Geimpfte verglich er mit Rassismus und sprach von „Impf-Apartheid“, wenn etwa nur Geimpfte bestimmte Geschäfte betreten dürften – was ihm deutlichen Protest unter den Abgeordneten und eine Ermahnung aus dem Bürgerschaftspräsidium eintrug.
Bereits in der Aktuellen Stunde hatte die AfD die zügige Rücknahme der Einschränkungen gefordert – unter dem Titel „Corona-Wahnsinn - Hamburg wieder normal!“. CDU-Innenpolitiker Dennis Gladiator verortete den „großen Wahnsinn“ im „Verhalten der AfD“, deren „Fundamentalopposition“ niemandem helfe. Linkenpolitiker Celik sagte: „Was die AfD fordert, ist die Absage an den gesellschaftlichen Konsens und ein Hohn für alle Opfer der Pandemie.”
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