Verteilschlüssel

So verteilt Hamburg künftig Flüchtlinge in der Stadt

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Oliver Schirg
Flüchtlingsunterkunft in Hamburg-Niendorf an der Schmiedekoppel (Archivbild)

Flüchtlingsunterkunft in Hamburg-Niendorf an der Schmiedekoppel (Archivbild)

Foto: Michael Rauhe

Beim neuen Verteilschlüssel konnten die Bürgerinitiativen mitreden. Einige Stadtteile haben mehr Flüchtlinge, als sie müssten.

Hamburg. Flüchtlinge werden in Hamburg künftig auf der Grundlage eines Orientierungs- und Verteilschlüssels untergebracht. Die Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“, die Bürgerschaftsfraktionen von SPD und Grünen sowie der Zentrale Flüchtlingskoordinator Anselm Sprandel haben sich auf eine entsprechende Regelung geeinigt. Danach werden bei der Auswahl eines Standorts für eine Flüchtlingsunterkunft die Kriterien Einwohnerzahl (40 Prozent), Fläche (20 Prozent) und Sozialmonitoring (40 Prozent) berücksichtigt. Das Sozialmonitoring wird in Hamburg seit dem Jahr 2010 genutzt, um frühzeitig soziale Probleme erkennen zu können.

„Es geht um Stadtteilgerechtigkeit bei der Flüchtlingsunterbringung“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. Anjes Tjarks von den Grünen sprach von „gelebter Bürgerbeteiligung, die zu realen Veränderungen führt“. Nach den Worten von Klaus Schomacker von der Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“ ist der Schlüssel ein „Meilenstein“ bei der Umsetzung der Bürgerverträge. „Diese Art der Verteilung ist der beste Weg für eine erfolgreiche Integration.“

Flüchtlings-Schlüssel soll kein Auftrag zur Umverteilung sein

Alle Beteiligte betonten am Mittwoch, dass der Schlüssel kein Auftrag für die Umverteilung bestehender Flüchtlingsunterkünfte bedeute. Allerdings sei das der Maßstab, „wie wir in Zukunft Kapazitätsentscheidungen treffen, wenn wir neue Unterkünfte schaffen“, sagte Dressel. Sprandel wies darauf hin, dass man auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 „so einen Schlüssel nicht hatte“ und es darum gegangen sei, möglichst vielen Flüchtlingen rasch ein Dach über dem Kopf zu bieten.

Mit dem Orientierungs- und Verteilungsschlüssel wird eine der wichtigsten Absprachen aus den Bürgerverträgen umgesetzt, die im vergangenen Sommer zwischen der Stadt und den Bürgerinitiativen geschlossen wurden. So ist künftig die Größe einer Flüchtlingsunterkunft auf 300 Plätze begrenzt. Zudem rücken jetzt jene Stadtviertel in den Fokus der Planer, in denen bislang kaum oder gar keine Flüchtlinge untergebracht wurden.

Einige Bezirke haben mehr, andere deutlich weniger Flüchtlinge als geplant

So zeigt eine Aufstellung der Volksinitiative, dass der Bezirk Bergedorf rund 2100 Flüchtlinge mehr beherbergt als er müsste. Der Bezirk Mitte hat ebenfalls ein deutliches Plus von rund 1100 Flüchtlingen. Eimsbüttel liegt dagegen mit minus 2000 Flüchtlingen unter dem Schlüsselwert, ebenso Nord (minus 301) und Wandsbek (minus 940). In Harburg (plus 33) und Altona (minus 26) sind in etwa so viele Flüchtlinge in einer Folgeunterkunft untergebracht, wie der Schlüssel vorsieht.

Der Orientierungs- und Verteilschlüssel werde in zwei Schritten ermittelt, sagte Flüchtlingskoordinator Anselm Sprandel. Zunächst wird auf einer sehr kleinräumigen Ebene – 941 statistische Gebiete – aus Einwohnerzahlen, Flächengröße und Sozialstatus ein prozentualer Anteil (der Orientierungsschlüssel) ermittelt. Dann werden Daten zu neun Infrastrukturkriterien wie Anzahl von Kindertagesstätten, Schulen, Ärzte oder Polizeiwachen erhoben. Sie fließen in die finale Standortentscheidung ein.

"Ballungen" von Flüchtlingsunterkünften sollen vermieden werden

Mit dem Schlüssel sei ein Werkzeug geschaffen worden, dass eine Überbelastung flächenstarker Stadtteile abfedere, sagte Sven Blum von der Bürgerinitiative Neugraben-Fischbek. Der Koordinator ergänzte, dass „Ballungen“ von Flüchtlingsunterkünften wie beispielsweise in Lurup, Bahrenfeld und am Osdorfer Born künftig verhindert werden könnten. Der Schlüssel erlaube die Betrachtung über Stadtteil- und Bezirksgrenzen hinweg.

Die CDU bemängelte, dass der Schlüssel zu spät komme und keine Verbindlichkeit habe. „Einen kriteriengestützten Verteilungsschlüssel hätten wir vor einem Jahr dringend gebraucht, als die wesentlichen Entscheidungen für die neuen großen Standorte in Hamburg gefallen sind“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Karin Prien. „Die Vorschläge der Initiativen lagen damals auf dem Tisch, aber Rot-Grün lehnte diese vehement ab.“ Jennyfer Dutschke (FDP) äußerte Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Regierungsparteien. „Anstelle einer verbindlichen ,Fairteilung’ macht Rot-Grün Symbolpolitik, denn die Expressbauten stehen und die Standortplanung ist abgeschlossen.“