Hamburg

Wie Hamburg Flüchtlinge gleichmäßiger verteilen will

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Oliver Schirg
Flüchtlinge ziehen in ihre Unterkunft ein

Flüchtlinge ziehen in ihre Unterkunft ein

Foto: imago/Lars Berg

7000 neue Plätze in Folgeunterkünften, Abbau von Erstaufnahmen. Mehr als 900 Millionen Euro Ausgaben. CDU übt Kritik.

Hamburg.  Hamburg wird in diesem Jahr in sogenannten Folgeunterkünften bis zu 7000 neue Plätze für Flüchtlinge schaffen. Dabei werde man stärker als bisher auf eine gleichmäßige Verteilung der Unterkünfte in der Stadt achten, sagte Katrin Stolle vom Koordinierungsstab Flüchtlinge vor dem Sozialausschuss der Bürgerschaft.

Zudem teilte der Senat mit, dass in der Hansestadt im vergangenen Jahr deutlich mehr als 900 Millionen Euro für Unterkunft und Betreuung von Flüchtlingen ausgegeben wurden. Möglicherweise sind die Ausgaben höher, da nur ein Teil der Flüchtlingskosten darstellbar ist.

Der Grund: Vielfach würden auch „Regelangebote von geflüchteten Menschen angenommen werden, sodass eine Abgrenzung nicht in jedem Sachverhalt möglich ist“, antwortet der Senat auf eine parlamentarische Anfrage der CDU-Abgeordneten Karin Prien. Zum Vergleich: für die gesamte Kinderbetreuung stellte Hamburg 2016 rund 720 Millionen Euro zur Verfügung. Derzeit leben in der Hansestadt rund 51.500 Flüchtlinge.

Suche nach Grundstücken ist schwierig

Im Gegenzug zum Ausbau der Folgeunterkünfte sollten in diesem Jahr rund 8000 Unterkunftsplätze in Erstaufnahmeeinrichtungen abgebaut werden, sagte Stolle. Bis Ende März habe man bereits 2200 Plätze geschlossen.

In einer Erstaufnahmeeinrichtung werden Flüchtlinge nach ihrer Ankunft untergebracht. Dort können sie ihren Asylantrag stellen. Ende Februar lebten in Hamburg rund 7500 Flüchtlinge in einem Erstaufnahmelager. Der Senatsantwort zufolge wurden 2016 für die Erstaufnahme von Flüchtlingen rund 375 Millionen Euro aufgewendet.

Bei dem Neubau von Folgeunterkünften sei vor allem die Suche nach geeigneten Grundstücken schwierig, sagte Stolle. So müsse man Flächen finden, „die jenseits von Wohnungsbau und Gewerbe übrig bleiben“. Zu berücksichtigen seien zudem das Vorhandensein von Altlasten und der Denkmalschutz. Neue Einrichtungen werden in diesem und im kommenden Jahr beispielsweise am Bloomkamp, am Albert-Einstein-Ring oder an der Kieler Straße geschaffen.

Zusätzliche Kosten in vielen Bereichen

Die Karte zeigt die Standorte von Folgeunterkünften, die bereits existieren oder neu geplant sind. An einigen wenigen Standorten ist ein Abbau der Plätze vorgesehen. So sinkt an der Luruper Hauptstraße infolge eines Bürgervertrags die Zahl der Plätze von 912 auf 456. Ein für eine begrenzte Zeit angemieteter P+R-Parkplatz am Mittleren Landweg sei bereits geräumt worden, sagte Stolle.

Eine Folgeunterkunft dient der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern mit Aufenthaltserlaubnis. Den letzten Zahlen des Senats zufolge sind in Hamburg in den insgesamt 119 Folgeeinrichtungen rund 25.200 Flüchtlinge untergebracht. Im vergangenen Jahr wurden für die Folgeunterbringung rund 568,5 Millionen Euro bezahlt. In diesen Kosten sind die Aufwendungen der Stadt für die Versorgung von Wohnungslosen enthalten.

Die Gesundheitsausgaben, die im Bereich der Flüchtlingsversorgung entstanden seien, hätten bei 67,1 Millionen Euro gelegen, heißt es in der Senatsantwort. Davon seien bei der Sozialbehörde 57,2 Millionen Euro für Krankenhilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angefallen. Für die Erstuntersuchung hätten die Innenbehörde acht Millionen Euro und die Gesundheitsbehörde 1,4 Millionen Euro aufgewendet.

Für Deutschkurse wurden im vergangenen Jahr rund 1,5 Millionen Euro von Hamburg zur Verfügung gestellt. Für sogenannte Rückkehrhilfen zahlte die Stadt insgesamt rund 907.000 Euro. Hinzu kamen für die Herrichtung und den Betrieb des Ausreisegewahrsams Kosten in Höhe von 1,7 Millionen Euro. „Für die Abschiebehaft von insgesamt 52 Personen und sieben Personen im Ausreisegewahrsam entstanden im Jahr 2016 Kosten von rund 300.000 Euro“, schreibt der Senat.

Für die Betreuung von Flüchtlingskindern in Hamburger Kindergärten wurden dem Senat zufolge 10,2 Millionen Euro aufgewendet. Die zusätzlichen Personalkosten in den Schulen der Hansestadt lagen demnach bei 42 Millionen Euro. Im Bereich berufliche Bildung summierten sich die Ausgaben auf rund 23,9 Millionen Euro.

CDU: Flüchtlingskosten aus dem Ruder gelaufen

„Die Flüchtlingskosten sind in Hamburg völlig aus dem Ruder gelaufen“, sagte CDU-Fraktionsvize Karin Prien. „Jetzt rächt sich die Blankoscheck-Politik des Senats. Kein Controlling, keine ordentliche Haushaltsführung.“

Obwohl die Zahl der Flüchtlinge seit April 2016 rückläufig sei, „wird für ihre eigentliche Integration, insbesondere die Integration in den Arbeitsmarkt, zu wenig und für die Kosten der Unterbringung deutlich zu viel ausgegeben“, sagte Prien.

Hier habe der Senat die Dinge laufen lassen und entgegen jeder Regel ordentlichen Haushaltens gehandelt. Hinzu komme, dass der Senat „die ohnehin finanziell überlasteten Bezirke, bei denen ein erheblicher Teil der Integrationslasten liegen, bei den Kosten im Regen stehen“ lasse, so Karin Prien.

Auch die FDP-Abgeordnete Jennyfer Dutschke kritisierte fehlendes Con­trolling der Stadt und verwies auf das kaum genutzte Ausreisegewahrsam am Flughafen. Diese Einrichtung mache deutlich, „dass Bürgermeister Scholz für Symbolpolitik kein Steuergeld zu schade ist“. Statt Selbstinszenierung müsse der Senatschef – trotz des Widerstands der Grünen – die Rückführung abgelehnter und ausreisepflichtiger Asylbewerber vorantreiben.

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