Je ärmer die Stadtteile, desto niedriger die Wahlbeteiligung. Und je reicher, desto stärker die FDP.

Hamburg. Armes Hamburg, reiches Hamburg – das sind auch mit Blick auf die Bürgerschaftswahl zwei Welten. So lag die Wahlbeteiligung in den 20Stadtteilen mit den niedrigsten Einkommen und den höchsten Anteilen an Hartz-IV-Empfängern nur bei 43,6 Prozent, in den Stadtteilen mit den höchsten Einkommen und dem niedrigsten Hartz-IV-Anteil hingegen bei 70,2 Prozent. Das geht aus der Analyse hervor, die das Landeswahlamt und das Statistikamt Nord am Dienstag vorstellten. „Das ,Reich-Arm-Gefälle‘ ... hat sich erhöht“, heißt es in dem Papier.

Das zeigt sich auch an den Ergebnissen der Parteien in diesen Stadtteilen, und hier besonders bei CDU, FDP und Linkspartei. So holte die CDU in den „besseren“ Stadtteilen im Schnitt 18,2 bis 21,1 Prozent und damit deutlich mehr Stimmen als die 15,9 Prozent in Gesamt-Hamburg. In sozial schwächeren Stadtteilen lag sie dagegen nur bei rund zehn Prozent. Im Vergleich zu 2011 hat sie in den „statushohen Stadtteilen“, so die Statistiker, rund neun Prozent verloren, in den „statusniedrigen“ dagegen nur 5,3 Prozent.

Noch krasser ist es bei der FDP: Sie holte in den Stadtteilen mit hohen Einkommen und wenig Hartz-IV-Empfängern im Schnitt 13,8 Prozent, in den „armen“ Gegenden aber nur 4,4 Prozent – und untermauerte damit ihren Ruf als „Partei der Besserverdiener“. Nimmt man alle Faktoren zusammen, bedeutet das: Wäre die Wahlbeteiligung in den ärmeren Gegenden Hamburgs so hoch wie in den reicheren, hätte die FDP den Einzug in die Bürgerschaft wohl verpasst, und die CDU hätte noch schlechter abgeschnitten.

Fast ein Spiegelbild der Liberalen ist die Linkspartei: Sie holte in den besser situierten Gegenden nur 4,7 Prozent, aber dort, wo viele Geringverdiener und Leistungsempfänger wohnen, kommt sie auf durchschnittlich 13,8 Prozent – satte 3,8 Prozent mehr als 2011. Auch die AfD war in den ärmeren Stadtteilen etwas stärker (7,2 bis 7,4) als in den reicheren (5,2 bis 5,7).

SPD und Grüne können hingegen von sich behaupten, in allen Teilen der Stadt etwa gleich stark zu sein. Die Sozialdemokraten waren in ihren klassischen Milieus mit durchschnittlich 45,4Prozent nur leicht stärker als in den „besseren“ Gegenden mit 43,4 Prozent. Allerdings, so die Wahlanalyse, hat die SPD „in ihren traditionellen Hochburgen mit eher benachteiligter Bevölkerung“ überproportional verloren: 5,4Prozentpunkte gegenüber nur 1,1 in den besseren Vierteln.

Stichwort Wahlbeteiligung: Sie wurde leicht nach oben korrigiert auf 56,9 Prozent. Das ist zwar ein historischer Tiefstwert, liegt aber nur 0,4 Punkte unter der Beteiligung von 2011 (57,3 Prozent). Hinzu kommt, dass erstmals auch 16- und 17-Jährige wählen durften. Wie viele dieser gut 27.000 Wahlberechtigten an die Urnen gegangen sind, wurde noch nicht ausgewertet. Bei der Bezirkswahl 2014 waren es nur 28 Prozent. Sollte der Wert am Sonntag ähnlich niedrig gewesen sein, hieße das: Ohne diesen Sondereffekt wäre die Wahlbeteiligung stabil geblieben.

Ungültige Stimmen: Der Anteil ungültiger Stimmzettel lag wie 2011 bei 3,0 Prozent, während er bis 2008 stets bei rund 1,0 Prozent gelegen hatte. Landeswahlleiter Willi Beiß sagte, dass 2011 das relativ komplizierte Wahlrecht, das es den Wählern ermöglicht, bis zu zehn Stimmen in zwei Heften zu vergeben, für etwa zwei Prozent der ungültigen Zettel verantwortlich war. Für 2015 liege noch keine Analyse vor, aber er habe den Eindruck, dass das Wahlrecht „stärker angekommen“ sei bei den Wählern.

Personenwahl: 47 Prozent der Stimmen im gelben Landeslisten-Heft, das allein über die Sitzverteilung in der Bürgerschaft entscheidet, wurden direkt an Kandidaten vergeben, die anderen 53Prozent an die Parteilisten (entspricht in etwa der „Zweitstimme“ bei Bundestagswahlen). Das sei „erfreulich“, sagte Beiß, weil daran abzulesen sei, „dass das Wahlrecht genutzt wird, um Kandidaten nach oben zu wählen“. Das Verhältnis 47:53 war 2011 nahezu identisch.

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Scholz-Effekt: Vor allem SPD-Wähler haben die Möglichkeit genutzt, auf der Landesliste der Parteien direkt einen Kandidaten zu wählen. Von gut 1,6 Millionen Stimmen, die die SPD hier erhielt, gingen 929.000 oder 57,8 Prozent direkt an Personen. Davon wiederum erhielt allein Bürgermeister Olaf Scholz als Spitzenkandidat unglaubliche 735.737 Stimmen – damit wurden fast 21 Prozent aller 3,5 Millionen Kreuze direkt bei dem Namen „Olaf Scholz“ gemacht. Das ist noch mehr als 2011, als Scholz 622.000 Personenstimmen bekommen hatte. Zum Vergleich: Sein Herausforderer Dietrich Wersich von der CDU kam auf 134.584 Direktstimmen.

Briefwähler: Mit 30,9 Prozent hat der Anteil der Briefwähler unter allen Wählern einen neuen Höchststand erreicht. Allerdings ist er gegenüber 2011 nur noch um 0,1 Prozentpunkte gestiegen.

Stadtteile: In Billbrook war die Wahlbeteiligung mit 26,3 Prozent am niedrigsten, gleichzeitig holte die AfD hier mit 13,3 Prozent ihr bestes Ergebnis und die Grünen (4,1) ihr schlechtestes. In Nienstedten dagegen war die Wahlbeteiligung mit 75,6 Prozent am höchsten, außerdem errang die FDP hier ihr bestes Resultat und wurde mit 22,9 Prozent sogar zweitstärkste Kraft hinter der SPD (36,1) und noch vor der CDU (20,0).